Der Allein-Herrscher in Serbien
Aleksandar Vučić – früher ein Ultranationalist – macht heute angeblich eine pro-europäische Politik. Sein Ziel: Serbien soll in die EU. Davon erhofft sich der Präsident Arbeitsplätze und Investoren. Zumindest was die Regionalpolitik betrifft, erwies sich der 47-Jährige als verlässlicher Partner des Westens: Er geht mit Bosnien versöhnlich um und blockiert die Balkan-Flüchtlingsroute nach Brüssels Wünschen.
Wohl darum schaut die EU darüber hinweg, dass die Medien in Serbien gleichgeschaltet sind, die Oligarchen dominieren, die Korruption grassiert. Selbst seine zunehmende Machtfülle und die gelegentlichen Besuche bei Russlands Präsident Putin sehen ihm die EU-Diplomaten nach. Doch es brodelt in Serbien: Seit er im April zum Präsidenten gewählt wurde, finden fast täglich Proteste in den grossen Städten statt.
Der Unkonventionelle in Albanien
Edi Rama – Ex-Basketballer und international anerkannter Künstler – hat neuerdings grossalbanische Visionen. Der Regierungschef will eine Union von Albanien und Kosovo nicht mehr ausschliessen, wegen der kleiner werdenden EU-Beitritts-Perspektiven. Allerdings bevorzugt der 51-Jährige weiterhin die Integration in die EU, denn so könnten die Albaner in Kosovo, Mazedonien und Montenegro näher zum Mutterland rücken.
Rama kritisiert die EU wegen ihrer zaudernden Balkan-Politik und verweist auf Russland und die Türkei, die in der Region zunehmend präsent seien. Innenpolitisch sieht‘s schlecht für ihn aus. Eine im Januar in Kraft getretene Justizreform will nicht greifen, Korruption ist allgegenwärtig. Im Februar forderten Demonstranten Ramas Rücktritt.
Der Befreiungskämpfer im Kosovo
Hashim Thaçi – vormaliger Chef der paramilitärischen UÇK – liegt neuerdings wieder im Streit mit dem serbischen Präsidenten Vučić. So hatte der kosovarische Präsident etwa Belgrad «die Hauptstadt der Probleme» genannt. Ursprünglich waren Thaçi und Vučić einmal Garanten des sehr fragilen Friedensplans. Thaçi hatte nicht nur die Unterstützung der EU und der USA, auch die Schweiz unterstützte die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos 2008.
Die Schweiz anerkannte die Erklärung als eines der ersten Länder. Seither sinkt der Stern des 49-Jährigen. Denn auch mit eigenem Staat dominieren Klientelismus und Korruption. Zudem werden ihm Verwicklungen in illegalen Organhandel und Beteiligung an Auftragsmorden und anderen Verbrechen vorgeworfen. Thaçi war von 1994 bis 1998 als anerkannter Flüchtling in der Schweiz.
Der Strippenzieher in Mazedonien
Nikola Gruevski – ehemaliger Ministerpräsident Mazedoniens – ist Vorsitzender der nationalkonservativen VMRO-Partei und immer noch der starke Mann in Mazedonien. Als Gruevski an die Macht kam, galt er als liberaler Technokrat. Mazedonien war Vorreiter für Reformen auf dem Balkan.
Doch im Jahr 2008 wendete sich das Blatt. Griechenland blockierte Mazedoniens Beitritt zur Nato sowie die EU-Integration. Der europafreundliche Gruevski machte eine ideologische Kehrtwende, stilisierte sich zum Verteidiger der Nation. 2015 wurde publik, dass Opposition und Kritiker vom Staat flächendeckend ausspioniert wurden. Die EU griff ein, es fanden Neuwahlen statt, seine Partei verlor. Den aktuellen Machtwechsel versuchte der 46-Jährige mit Gewalt zu verhindern – doch erfolglos. Gruevski und seine Vertrauten fürchten, sie könnten im Gefängnis landen, sollten die Sozialdemokraten an die Macht kommen.
Der Wendehals in Montenegro
Milo Dukanović – einst Zögling von Milošević – löste sich nach dem Bosnienkrieg aus dessen Schatten und leitete die Unabhängigkeit von Serbien ein, trotz Widerstand von etwa der Hälfte der Bevölkerung. Dukanović schlug den Weg Richtung Brüssel ein: Schnell hat er Kosovos Unabhängigkeit anerkannt.
Gerne beschuldigt er seine Gegner, sie stünden im Einfluss von Moskau. Putin wolle die euroatlantische Integration Montenegros torpedieren. Dukanović und seine Familie wurden während seiner langen Herrschaft reich. In Montenegro hat seit 1945 kein Machtwechsel mehr durch Wahlen stattgefunden. Trotz Mängeln punkto Rechtsstaat und Medienfreiheit wurde Montenegro kürzlich Mitglied der Nato.
Der Muslim in Bosnien und Herzegowina
Bakir Izetbegović – Sohn des ersten bosnischen Präsidenten Alija – sieht punkto politischem Islam in der Türkei einen Verbündeten. Izetbegović ist Präsident der Partei der demokratischen Aktion (SDA) und bosniakischer Vertreter im dreiköpfigen Staatspräsidium des Landes Bosnien und Herzegowina.
Der 60-Jährige wird vom türkischen Präsidenten regelmässig bei den Wahlen unterstützt. Im Gegenzug hat Izetbegović Erdogan noch in der Putschnacht im Juli seine Hilfe zugesagt. Schon sein Vater Alija hatte mit der Idee eines islamischen Staates in Europa geflirtet. Das wirkt bis heute nach: Über 300 Dschihadisten sind aus Bosnien nach Syrien gereist.
Der Brandstifter in Bosnien und Herzegowina
Milorad Dodik – einst Reformer und Liebling der EU – will die Republika Srpska von Bosnien abspalten und sich Serbien anschliessen. Der Präsident der Republika Srpska, einer von zwei Entitäten von Bosnien und Herzegowina, droht damit schon seit Jahren.
Hinter dem Brandstifter Bosniens steht Wladimir Putin. Der russische Präsident meinte dazu, die bosnischen Serben hätten «jedes Recht, über sich selbst zu entscheiden». Aufsehen erregte Dodik auch, als er den Völkermord in Srebrenica leugnete. Mit solchen Aussagen lenkt der 58-Jährige von der katastrophalen Lage in der Republika Srpska ab: Das Durchschnittseinkommen liegt bei 400 Euro im Monat, die Arbeitslosigkeit bei 50 Prozent, die Presse ist geknebelt. Die Republika ist abhängig von Krediten aus dem Ausland und Zahlungen aus der EU.