Journalisten der «Süddeutschen Zeitung» haben mit einem internationalen Investigativ-Netzwerk herausgefunden, dass Staaten mit einer Software namens «Pegasus» Journalisten, Menschenrechtlerinnen und Oppositionelle aushorchen. Von den EU-Ländern habe zumindest Ungarn die Software der israelischen Firma NSO, erklärt der Journalist Frederik Obermaier.
SRF News: Sind sie zufrieden, so etwas herausgefunden zu haben?
Frederik Obermaier: Ich würde eher sagen, man kriegt Angst. Es war ziemlich rasch klar, dass die Daten brisant sind. Je tiefer man eintaucht, umso mehr macht man sich Gedanken über den eigenen Beruf. Es zeigte sich, dass die Spionage-Software auf das Handy von Journalistinnen und Journalisten auf der ganzen Welt gelangte, ohne dass sie es merkten. Die Software wird nicht nur gegen Terrorismus und schwere Verbrechen eingesetzt, auch wenn die Herstellerfirma das Gegenteil behauptet.
Die Software wird nicht nur gegen Terrorismus und schwere Verbrechen eingesetzt, auch wenn die Herstellerfirma das Gegenteil behauptet.
Die Software kommt unter anderem in Aserbaidschan, Saudi-Arabien, Bahrain, Kasachstan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Marokko, Ruanda, Indien und Mexiko zum Einsatz. Ist sicher, dass Ungarn das einzige Land in Europa ist?
Aufgrund der untersuchten Daten war Ungarn der einzige Kunde. Die Firma NSO hat weltweit Kunden in 40 bis 45 Ländern. Wir sind ziemlich sicher, dass es weitere Kunden gibt. Wir haben – auch ausserhalb dieser Daten – von Gesprächen mit Quellen gehört, dass etwa Länder wie Belgien und die Niederlande in der Vergangenheit NSO-Software eingekauft haben.
Ist in den Recherchen auch die Schweiz aufgetaucht?
Von der Schweiz habe ich bislang nichts erfahren, nein.
Wie schätzen Sie die Dimension der Ausspähung insgesamt ein?
«Pegasus» ist so etwas wie eine digitale Geheimwaffe. Sobald ein Handy infiziert ist, ist es nur noch ein Spion, der alles mitliest und mithört. Auch wenn sich ein Gespräch gar nicht am Telefon abspielt, sondern das Gerät nur im gleichen Raum liegt.
‹Pegasus› ist so etwas wie eine digitale Geheimwaffe.
Die Firma beharrt darauf, dass diese Software nicht der Massenüberwachung dient, sondern gezielt eingesetzt wird. Das deckt sich mit unseren Recherchen, denn der Einsatz ist relativ kostspielig und Behörden müssen sich gut überlegen, wen sie ins Visier nehmen. Die Daten zeigen nun aber auch, dass weltweit Hunderte betroffen sind.
Konnten Sie Folgen solcher Überwachungen feststellen?
Kausale Zusammenhänge zu finden, ist immer schwierig. In Aserbaidschan etwa werden kritische Journalistinnen und Journalisten immer wieder mit geleakten intimen und privaten Fotos oder Videos diskreditiert, die dann auf regierungsfreundlichen Webseiten auftauchen. Das könnte über ein infiziertes Handy gelaufen sein. Im Fall des auf dem saudischen Konsulat in Istanbul zerstückelten Kolumnisten Jamal Khashoggi zeigte sich, dass dessen Umfeld vor und nach der Ermordung ausspioniert worden war. So haben wir auch auf dem Handy von Khashoggis Verlobter Spuren der Überwachungssoftware gefunden.
Wir haben auch auf dem Handy von Khashoggis Verlobter Spuren der Überwachungssoftware gefunden.
Was erwarten Sie von den betroffenen Staaten?
Die Software dient nicht nur der Überwachung, sondern auch der Einschüchterung. Wer kritisch berichtet, muss damit rechnen, dass alles abgehört wird. Manche wird es möglicherweise abhalten, sich noch zu äussern. Das ist ein klarer Angriff auf die Pressefreiheit als Pfeiler der Demokratie. Zumindest jene demokratischen Staaten wie Indien, Mexiko und das EU-Mitgliedsland Ungarn sollten Untersuchungen einleiten und transparent machen, gegen wen die Software eingesetzt wird und die Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.