En France on parle français. Französisch – und nichts anderes! Das war die Sprachpolitik der letzten Jahrhunderte und so steht es in der Verfassung. Platz für regionale Redeweisen gab es im öffentlichen Raum bislang kaum.
Doch nun hat letzte Woche das Parlament gegen den Willen der Regierung beschlossen, die regionalen Sprachen als Kulturgut zu anerkennen und stärker zu fördern. Nur der Verfassungsrat könnte das noch ändern.
Das Zentrum und die Regionen
Nach dem historischen Entscheid der Nationalversammlung stimmten die bretonischen Abgeordneten ihren Freudenchor auf der Treppe vor dem Parlament an.
Der Gesang mochte bei Gegnern im Parlamentssaal die Befürchtung bestätigen, die Anerkennung der Regionalsprachen als Kulturgut habe dem Zentralstaat einen empfindlichen Schlag versetzt. Denn regionale Vokalmusik ist in Frankreich seit je eine kräftige Stimme für regionalen Separatismus.
Langer Kampf
Das war schon anfangs der 1980er-Jahre so, als das korsische Vokalensemble «Canta u populu Corsu» das Pariser Publikum begeisterte und im Wohlklang der Stimmen die politische Botschaft der korsischen Nationalisten verpackte.
Beim Kampf der Korsen um mehr Unabhängigkeit ging es nicht nur um die Sprache, aber sie ist seit je Instrument im Lied der Freiheit. Wie die Literatur orientiert sie sich am Mittelmeer, an Italien und Spanien.
«Occitanie»
Diese Nachbarschaft wird auch in der flächenmässig grössten Sprachregion Frankreichs hörbar, der «Occitanie» oder traditionell auch Languedoc. Ein Okzitanisch-Sprachkurs im Internet illustriert dies.
Inzwischen sind 13 regionale Sprachen offiziell anerkannt. Nicht nur Bretonen und Korsen kämpften jahrzehntelang dafür, auch Basken, Katalanen oder Elsässer. Ihre Sprachen werden zwar in den Schulen als Freifächer angeboten. Aber nur bei genügend Kapazitäten und wenn der Französisch-Unterricht nicht leidet.
Sprache bewahren
Die Nachfrage nach Regionalsprach-Unterricht übersteigt das Angebot bei weitem. So lernen etwa in der Bretagne gerade mal acht Prozent der Schulkinder Bretonisch, während 40 Prozent der Eltern das für ihre Kinder wünschten.
Wertet Frankreich seine Regionalsprachen in Schulunterricht und Verwaltung auf, dürfte das weitere Wünsche wecken: In jenen Gegenden, wo die über 60 regionalen Dialekte gesprochen werden, die der Staat nicht fördert.
«Ch'timi» – ein filmreifer Dialekt
Zum Beispiel bei den Ch’ti im hohen Norden. Bekannt sind sie spätestens seit dem Film «Bienvenue chez les Ch’tis», dem erfolgreichsten in Frankreich seit Jahrzehnten. Er zeigt die Sprachprobleme, wenn Franzosen aus dem Süden mit Landsleuten aus dem hohen Norden reden wollen.
Der Pöstler aus dem Norden spricht am Stammtisch von der Familie – «les siens» – und der Kollege aus der Provence versteht nur «chiens» – Hunde also. "Ch'timi ist bloss ein Dialekt.
«Francique»
Die nördlichste Regionalsprache Frankreichs heisst Francique. Französisch ist sie aber nur dem Namen nach. So wie die Gruppe «La Schlapp sauvage» aus Lothringen, die auch bretonische Lieder spielt. Francique – Moselfränkisch – ist eine deutsche Sprache, genau so wie die verschiedenen deutschen Dialekte im Elsass.
Dass zwischen Lothringen in der Region Grand-Est und der Bretagne nur Frankreich liegt, wie «La Schlapp sauvage» zum Besten gibt, ist freilich eine glatte Untertreibung. Denn dazwischen leben mindestens ein Dutzend regionaler Sprachen und Dialekte.