Dass Wladimir Putin westlichen Medien ein Interview gewährt, passiert nur äusserst selten. Dass der russische Präsident, der jedes Interview genaustens kontrolliert, sich aus der Ruhe bringen lässt, kommt ebenfalls kaum vor. Beides ist vor seinem Staatsbesuch in Österreich eingetreten.
Mehrmals hatte der österreichische Sender ORF in der Vergangenheit vergeblich um ein Interview angefragt. Die Zusage kam überraschend. Konkrete Fragen verlangte der Kreml von ORF-Journalist Armin Wolf im Vorfeld des Interviews nicht.
Das Rezept des Interviewers
So trifft Wolfs Fragestil Putin scheinbar nicht selten unerwartet. Der russische Präsident reagiert mehrmals scharf: «Wissen Sie, wenn Ihnen meine Antworten nicht gefallen, dann stellen Sie doch keine Fragen. Aber wenn Sie meine Meinung hören wollen, dann müssen Sie Geduld haben und mich ausreden lassen.»
Wie schaffte es Wolf, Putin aus der Reserve zu locken und wie erlebte er selbst das Gespräch? «Herr Putin sagt nichts in Interviews, was er nicht sagen möchte», sagt Wolf gegenüber SRF. «Jetzt kannte ich viele seiner Antworten, und habe deswegen versucht, einen Teil seiner Antwort schon vorwegzunehmen. Das hat ihn dann nicht beirrt, er hat trotzdem einen Teil seiner Fragen wiedergegeben.»
«Seien Sie bitte so nett, lassen Sie mich etwas sagen», sagt Putin an einer Stelle, wo es um die Annexion der Krim geht. «Herr Präsident, ich unterbreche Sie so ungern», erwidert Wolf. Und warum? «Weil Putin meist sehr ausführlich antwortet und das nicht unbedingt zur gestellten Frage. Ich hatte aber nur begrenzt Zeit», schreibt Wolf in seinem Blog-Eintrag zum Interview mit Putin.
Die Taktik Putins
Laut dem Journalisten reagiert Putin in Interviews immer taktisch: «Ich glaube, das ist eine Strategie von Putin. Wenn man sich Interviews mit ihm anschaut, dann fällt auf, dass er jede Unterbrechung grundsätzlich thematisiert. Man wirkt als Interviewer unhöflich bei der nächsten und übernächsten Unterbrechung.»
Das Interview soll eigentlich 30 Minuten dauern. Auch wenn die Zeit davonläuft – Putin will sich nicht kurzfassen. «Aber wir haben so wenig Zeit. Und ich habe so viele Fragen», sagt Wolf. Putin antwortet auf Deutsch: «Nein, nein, wir haben genug», und lacht.
«Nicht der Mikrofonständer Putins sein»
Letztlich werden es 52 Minuten, bis sein Sprecher immer ungeduldiger signalisieren lässt, dass die Zeit nun aber wirklich vorbei ist.
Russische Fernsehsender zeigen das Interview in voller Länge. Der Kreml nutzt den Auftritt vor ausländischen Medien um die Bedeutung Russlands zu zeigen. Armin Wolf fühlt sich dabei nicht instrumentalisiert: «Was ich definitiv nicht machen wollte – und, ich glaube, definitiv auch nicht gemacht habe: Die Staffage oder der Mikrofonständer sein für eine Rede für Herrn Putin.»