Am Tag, an dem er seine neue Partei vorstellt, wirft sich der gefallene Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache in Wien einmal mehr in die Opferpose: «Eine illegale Aktion» sei dieses Ibiza-Video gewesen. Und «Solche Stasi-Methoden gegen politische Mitbewerber, die dürfen auf Dauer nicht Erfolg haben.»
Für Strache ist klar: Sein Fehler war, dass er sich hat erwischen lassen. Nicht, dass er auf dem (mit versteckter Kamera in den Ferien auf Ibiza gedrehten) Video unaufgefordert vorgeschlagen hatte, riesige Staatsaufträge im Austausch gegen illegale Parteispenden zu vergeben. Dabei hatte er doch immer versprochen, seine rechtsnationale Partei FPÖ werde mit der Korruption der anderen Parteien aufräumen, wenn er denn mal an der Macht sei.
Doch spätestens auf Ibiza wurde klar, dass Strache schon korrupte Geschäfte anbot, bevor er auch nur gewählt war. Die logische Folge: der Rücktritt. Ein paar Tage und einige Ränkespiele später wurde die Regierung von Kanzler Sebastian Kurz vom Parlament abgesetzt. Es war eine Regierungskrise, aber keine Staatskrise. Denn gemäss Verfassung übernahm eine Beamten-Regierung unter Brigitte Bierlein die Geschäfte für ein halbes Jahr.
Die angesetzten Neuwahlen gewann Kurz erneut und bildete in der Folge mit der grünen Partei eine konservativ-grüne Regierung, die Seit Januar im Amt ist. Ein Novum und ein grosses Experiment für Österreich. Mit offenem Ausgang, aber in einer völlig neuen politischen Atmosphäre. In einem Klima des Aufbruchs.
Zahlreiche Indizien für Korruption
Der Ibiza-Skandal ist damit nicht zu Ende: Im Zuge der Ermittlungen fand die «Sonderkommision Ibiza» zahlreiche weitere Indizien für Korruptionsvergehen. Etwa bei der «Casinos-Affäre», einer mutmasslichen Absprache der Regierungsparteien hinsichtlich künftiger Glücksspiellizenzen.
Mittlerweile laufen 35 Ermittlungsverfahren. Zu einer Anklage kam es indes noch nicht. Am 4. Juni wird auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufnehmen.
Fachleute zweifeln zwar, ob viel aufgedeckt werden wird. Doch dieser Ausschuss hat auch zum Zweck, der Öffentlichkeit und dem politischen Personal klar zu machen, dass die «guten» alten Zeiten vorbei sind, in denen sich die Parteien ohne Rücksicht auf Verluste Posten zuschachern konnten. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International liegt Österreich seit Jahren stets hinter Deutschland und der Schweiz.
Sturz mit positiven Auswirkungen
Der Ibiza-Skandal und seine laufende Bewältigung soll ein starkes Signal aussenden, dass Korruption (für die oft die monarchische Tradition verantwortlich gemacht wird) in Österreich nicht mehr länger ein Kavaliersdelikt ist. Dafür stark machen sich auch die neu in der Regierung sitzenden Grünen, für sich Transparenz schon immer ein Anliegen war.
Der gefallene Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache versucht im Herbst in den Wiener Landtag gewählt zu werden. Dass er das vielleicht schafft, wirft ein schlechtes Licht auf die Sitten in der österreichischen Politik. Trotzdem: sein Sturz und dessen Aufarbeitung dürfte letztlich politischen Sitten in Österreich verbessern.