Nach der entsetzlichen Todesfahrt von Magdeburg vor Weihnachten bezeichnete Elon Musk den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz als «unfähigen Idioten». Scholz, schrieb Elon Musk auf seiner Plattform X weiter, solle «sofort zurücktreten». Eine Anmassung.
Musk ist es offenbar nicht genug, Teslas und Weltraumraketen herzustellen. Seit ihn der bald antretende US-Präsident Donald Trump mit Regierungsaufgaben betraut hat, fühlt sich Musk berufen, das Weltgeschehen zu kommentieren, so, als sässe er selbst im Weissen Haus.
«Klingt das nach Hitler? Ich bitte Sie!»
Elon Musk ist neuerdings fasziniert von der AfD, der Alternative für Deutschland. Nur die Rechtsaussen-Partei könne Deutschland retten. Wie meint er das genau?
Das wollte die renommierte Zeitung «Die Welt» genauer wissen und bat Musk um einen Gastbeitrag. Das tat Musk, beschrieb Deutschland als Staat und Volkswirtschaft am Abgrund, überreguliert und in grossen Schwierigkeiten wegen der Migration.
Die AfD sei eine Partei, die «dem Erhalt der deutschen Kultur und der Sicherheit Vorrang» einräume. Die AfD sei darum «der letzte Funke Hoffnung für dieses Land». Musk, der Milliardär, schrieb, es sei falsch, die AfD als rechtsextrem zu bezeichnen, schliesslich habe AfD-Parteichefin Alice Weidel eine Partnerin aus Sri Lanka. Musk fragt: «Klingt das für Sie nach Hitler? Ich bitte Sie!»
Nach der Publikation des Artikels explodierte die öffentliche Meinung so laut, als sei schon Silvester. Niemals dürfe man Musk eine derartige Plattform bieten – ein Skandal!
Die «Welt» lässt Musk schreiben – entgegnet aber mit Fakten
In vielen Einlassungen zum Thema ging aber vergessen, dass «Welt»-Chefredaktor Jan Philipp Burgard neben den Musk-Artikel einen Kommentar mit dem Titel «Warum Elon Musk sich irrt» setzte.
Man muss dazu wissen: Burgard ist einer der klügsten Köpfe im deutschen Journalismus. Er leitet her, dass Musk vor allem auslässt. Dass sich die AfD gegen die Westbindung Deutschlands, gegen die EU und für «Remigration», also die millionenfache Ausweisung von Menschen aus Deutschland einsetzt. Dass die AfD in Teilen sehr wohl rechtsextrem sei. Darum sei die AfD eine Gefahr für Deutschland. Burgard schliesst mit Blick auf Musk: «Auch ein Genie kann sich irren.»
Doch der Geist ist aus der Flasche. Die Aufregung ist so gross, dass vergessen geht: Es gilt die Meinungsfreiheit. Man darf sagen, was man denkt. Sogar Musk.
Man kann ihn für verrückt halten, für einen Spinner. Aber sein Einfluss auf den künftigen US-Präsidenten ist real – und da möchte man wissen, wie Washington tickt.
Viele Wählerinnen und Wähler der AfD kritisieren genau das: Man dürfe ja nichts mehr sagen, man werde ständig zensiert. Oder fürchten die anderen Parteien die AfD derart, dass man nicht mehr hören möchte, was ihre Unterstützer, Elon Musk im vorliegenden Fall, zu sagen haben?
Scholz bleibt gelassen – Fast als einziger
Jeder Bürger, jede Bürgerin darf sich ein eigenes Bild machen, seine eigene Wahlentscheidung treffen. Die «Welt» hat Musks Text publiziert – und eine Einordnung des Chefredaktors Jan Philipp Burgard danebengestellt. Klassisches journalistisches Handwerk im Sinne der Meinungspluralität.
Einer der wenigen übrigens, die sich gar nicht aufregen, ist der Kanzler. Nach der Wahlempfehlung Musks für die AfD sagte Scholz: «Meinungsfreiheit gilt auch für Multimilliardäre». Aber Meinungsfreiheit heisse auch, dass man Dinge sagen dürfe, die nicht richtig sind. Ein bisschen weniger Aufregung täte Deutschland gut in diesen Tagen.