Welche Geheimnisse verbergen sich in Trumps Steuerunterlagen? Weshalb verhindert er seit fünf Jahren deren Veröffentlichung mit allen Mitteln, während seine Vorgänger ihre Steuererklärungen stets im Wahlkampf offengelegt hatten? Wer sich eine rasche Antwort auf diese Frage erhofft hatte, wurde heute enttäuscht.
Die Urteile haben mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass die Unterlagen nicht mehr vor der Wahl vom 3. November an die Öffentlichkeit gelangen. Den Demokraten entgeht damit im Wahlkampf eine Waffe, auf die sie gehofft hatten. Doch das Trump-Lager hat nur Zeit gewonnen. Ganz verhindern kann er die Herausgabe vieler Unterlagen mittelfristig nicht. Somit bleiben die Untersuchungen eine Bedrohung für Trump. Vor allem die hartnäckige New Yorker Staatsanwaltschaft wird den Fall nun mit möglichst hohem Tempo vorantreiben.
Kein Präsident steht über dem Gesetz
Doch neben dem kurzfristigen Polit-Geschäft ging es bei den heutigen Entscheidungen noch um viel mehr: Um die Grundsatzfrage, ob sich ein Präsident einer Untersuchung gänzlich entziehen kann – also ob ein Präsident ein Stück weit über dem Gesetz steht. Trump hatte in der Vergangenheit verschiedentlich mit Begriffen wie «absoluter Macht» kokettiert, wohl auch bestärkt durch seine Erfolge im Impeachment-Verfahren.
Nun hat ihn der Supreme Court in die Schranken gewiesen. Unmissverständlich hält er fest: Kein Präsident steht über dem Gesetz. Das Oberste Gericht bestätigt dabei eigentlich nur, was in der Vergangenheit auch schon galt. Auch die Präsidenten Clinton und Nixon wurden zur Herausgabe von Dokumenten gezwungen, die ihnen politischen Schaden zufügten.
Gewaltentrennung funktioniert
Jetzt müssen die Gerichte genauer bestimmen, welche Unterlagen an welche Behörde herausgegeben werden müssen. Das wird Wochen oder Monate dauern. Aber es gibt kein Entrinnen. Früher oder später werden die New Yorker Staatsanwaltschaft und vermutlich auch der Kongress Einblick in brisante Dokumente erhalten, das scheint heute klar. Sollte Trump das Gesetz gebrochen haben, könnte er dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Egal ob er im November wiedergewählt wird oder nicht.
Symbolisch wichtig ist diesbezüglich, dass auch die beiden neuen, von Trump eingesetzten Richter Kavanaugh und Gorsuch, sich nicht vor ihn stellten. Die Entschiede fielen also nicht entlang politischer Linien. Die Befürchtung, die Justiz habe unter der Präsidentschaft Trump an Unabhängigkeit verloren, bestätigten sich somit nicht. Die Gewaltentrennung – die «Checks and Balances» – funktionieren.