Am 28. April finden in Spanien vorgezogene Neuwahlen statt. Und eines der aktuellsten Themen ist die Vergangenheit. Soll Francisco Franco, der Spanien bis 1975 als Diktator regiert hat, aus seiner monumentalen Grabstätte geholt und umgebettet werden, an einen bescheideren, privateren Ort? Oder soll Franco – ganz im Gegenteil– weiterhin verehrt werden?
Die Stiftung «Fundación Nacional Francisco Franco» vertritt die Interessen der Nachkommen von Francisco Franco. Das Vermögen der Familie wird auf 500–600 Millionen Euro geschätzt.
Juan Chicharro, ein ehemaliger General, ist Präsident der Stiftung. «Wenn ich an Franco denke, denke ich an einen Mann, der nichts Anderes im Sinn gehabt hat, als das Wohl der Spanierinnen und Spanier.» Franco habe das Land aus der Misere geführt.
«Seinen heutigen Wohlstand hat Spanien Franco zu verdanken»
Tatsächlich herrschte in den Jahren nach dem spanischen Bürgerkrieg, zu Beginn von Francos Herrschaft, bittere Armut. Grosse Teile der Bevölkerung litten Hunger, rund ein Drittel konnte weder lesen noch schreiben. «Seinen heutigen Wohlstand hat Spanien Franco zu verdanken», so der ehemalige General.
Manuel Ortiz ist Professor an der Universität in Albacete. Er ist Historiker und leitet ein Institut, das sich der Erforschung von Francos Diktatur widmet. Denkt Manuel Ortiz an Francos Diktatur, denkt er nicht an Wohlstand und Entwicklung – sondern an Tod und Gewalt: «Die Gewalt war DAS zentrale Merkmal von Francos Herrschaft.»
Bis heute gebe es in Spanien tausende von ungeöffneten Massen-Gräbern, sagt Ortiz. Darin liegen die Opfer des Regimes; die Verschwundenen, die irgendwo verscharrt wurden, ohne Begräbnis, ohne Wissen ihrer Angehörigen. 150’000 seien es mindestens, das wisse man mit Sicherheit – von ihnen kenne man die Vor- und Nachnamen. Doch es sei gut möglich, dass die richtige Zahl noch viel höher liege. «Nur in Kambodscha gibt es noch mehr Verschwundene als in Spanien.»
Wer diesen Vergleich ziehe, sei entweder ein Analphabet und habe schlicht keine Ahnung, wovon er rede, sagt Chicharro. Millionen von Menschen seien getötet worden im 20. Jahrhundert, in Polen, Deutschland, der Sowjetunion – da seien die spanischen Opferzahlen ja direkt lächerlich dagegen.
Systematische Verfehlungen oder Einzelfälle?
Und was ist mit der Folter, der Unterdrückung? «Es sind Fehler passiert während der Diktatur, ich bin gern bereit, das zuzugeben», erklärt Chicharro. Aber: Das seien Verfehlungen von Einzelpersonen gewesen, wie es sie immer und überall gebe; punktuelle Fehler – keine systematischen.
So etwas zu behaupten sei purer Hohn, sagt Manuel Ortiz.
«Die Gegner des Franco-Regimes und die anderen Unliebsamen – die Kommunisten, die Landstreicher, die Homosexuellen – sie alle sind unterdrückt, misshandelt, getötet worden.» Zu diesem Schluss seien nicht nur spanische Forscher gekommen – auch Historiker aus Italien, Grossbritannien und den USA.
Die Folter sei im Franquismo nicht die Ausnahme gewesen, sondern die gängige Praxis. Wer von der Polizei verhaftet wurde, konnte so gut wie sicher sein, dass er geschlagen werden würde. Unzählige Frauen berichteten, auf Polizeiwachen vergewaltigt worden zu sein.
Selbstverständlich habe er Mitgefühl mit diesen Menschen, sagt Chicharro. Aber: «Immerzu in der Vergangenheit zu wühlen und diese alten Geschichten hervorzuholen, bringt doch nichts.»
«Las dos Españas» – so umschrieb man die Spaltung des Landes während des Bürgerkriegs. 80 Jahre sind vergangen seit dessen Ende, aber sie existiert nach wie vor. Fast so, also würden diese beiden Männer nicht über dasselbe Land sprechen.