SRF News: Wie sind die Autoren der Studie, welche im Magazin «Nature Geoscience» erschienen ist, zum Schluss gekommen, dass die Erde sich nicht so schnell erwärmt?
Thomas Häusler: Die Autoren der Studie haben sich genau angeschaut, wie viel CO2 wir bisher ausgestossen haben und um wie viel das Treibhausgas deswegen die Erde gemäss Theorie erwärmt hat. Da haben sie eine Diskrepanz festgestellt. Die Erde hat sich weniger rasch erwärmt, als das diese Theorie sagt.
Wenn man die Resultate auf das 1,5-Grad-Ziel bezieht, kann man von dieser zukünftigen Erwärmung um 1,5-Grad quasi rückwärts rechnen. Man kann also schauen, wieviel CO2 wir ab jetzt noch produzieren dürfen, um dann nicht über dieses Ziel hinaus zu schiessen. Und da ergibt diese neue Studie, dass wir etwas mehr ausstossen dürfen als befürchtet und etwas mehr Zeit haben.
Was wird an der Studie kritisiert?
Die Ergebnisse der Studie basieren darauf, dass sich die Erde zwischen 2000 und 2015 etwas langsamer erwärmt hat als in den Jahren zuvor. Dies senkt den Erwärmungseffekt des CO2, den die Forscher berechnet haben. Es ist aber so, dass die Erwärmung in den letzten drei Jahren wieder schneller geworden ist. Das ist normal, das Klima schwankt naturgemäss. Aber Kritiker der Studie werfen den Autoren vor, sie hätten diese Schwankungen ungenügend berücksichtigt und damit zu optimistische Resultate bekommen – das heisst, die Chance überschätzt, dass wir das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen können.
Die Autoren der Studie schätzen, dass die Zielsetzung des Pariser Klimaabkommens eher eingehalten werden könne, weil wir noch mehr Zeit zur Verfügung haben und weil wir noch mehr CO2 ausstossen können. Teilen Sie diese Einschätzung?
Aus den Berechnungen dieser Studie folgt dieser Schluss unmittelbar. Allerdings können diese Berechnungen Fehler beinhalten, wie die oben erwähnte Kritik. Dann wäre dieser Schluss in Frage gestellt. Dazu muss man sagen:
Auch wenn diese Studie stimmt, ist es enorm schwer, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.
Das betonen auch die Autoren der Studie. Sie sagen auch, wenn sie Recht haben müsste die Welt ab sofort viel mehr tun als bisher, sonst verpassen wir das Ziel ohnehin.
Hat diese Studie nun Auswirkungen auf Regierungen und auf Gesetze, weil jetzt das Pariser Klimaabkommen eher eingehalten werden kann?
Einzelne Studien haben selten grossen Einfluss im ganzen Chor an Stimmen, der aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft kommt und auf diese Leute einwirkt, die diese Entscheidungen treffen müssen.
Vermutlich werden sich beide Seiten in der Debatte in ihrer Sicht bestärkt sehen.
Jene, die das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen, die werden sagen, jetzt müssen wir umso mehr tun. Wir können es schaffen. Und die andere Seite wird sagen, es ist so wie wir immer behaupten, es ist alles nicht so heiss.
Was bedeutet diese Studie für Inselstaaten mit kleinen Inseln, die besonders von der Klimaerwärmung bedroht sind?
Es ist ein Hoffnungsschimmer. Aber niemand kann genau sagen, ab welcher Erwärmung welche Insel nicht mehr bewohnbar sein wird. Die Inselstaaten selbst argumentieren, dass sie bei einer Klimaerwärmung um 1,5 Grad überleben können, nicht aber bei 2 Grad. Dafür gibt es wissenschaftliche Hinweise, aber sicher ist dies nicht. Und aus dieser Situation heraus hat die Staatengemeinschaft das 1,5-Grad-Ziel ins Pariser Klimaabkommen aufgenommen, um die Überlebenschancen dieser Staaten zu erhöhen.
Das Gespräch führte Monika Glauser.