Ein Angeklagter auf der Anklagebank schaut den Zeugen an und fährt mit seinem Finger über die eigene Halskehle. Ein Verdächtiger nimmt sich das Leben. Ein Kronzeuge bricht im Zeugenstand in Tränen aus. Der Prozess findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Das Gericht verschweigt die Namen der Geschworenen aus Angst, diese könnten bedroht oder anderweitig beeinflusst werden.
Was nach einem Mafia-Film klingt, ist derzeit Realität an einem Strafgericht in New York. Es geht freilich nicht um die Mafia, sondern um den Weltfussballverband Fifa. Dort sagte der Kronzeuge unter Eid unter aus, dass Julio Grondona, der inzwischen verstorbene langjährige Fifa-Vizepräsident aus Argentinien, vom Emirat Katar bezahlt worden sei im Hinblick auf die Vergabe der Fussball-WM 2022.
Es ist dies ein weiteres Indiz, aber erneut kein wasserfester Beweis, dafür, dass die WM im Wüstenstaat möglicherweise gekauft worden ist.
Es ist dies ein weiteres Indiz, aber erneut kein wasserdichter Beweis, dafür, dass die WM im Wüstenstaat möglicherweise gekauft worden ist, auch wenn dies Katar vehement bestreitet.
Doch auch dieses neue Indiz wird die Fifa kaum davon abhalten, die WM in fünf Jahren im Wüstenemirat durchzuführen. Die Fifa wird die Notbremse nicht ziehen. Sie kann es wahrscheinlich gar nicht: Zu weit sind die Vorbereitungen bereits fortgeschritten, zu teuer kämen die Fifa die wahrscheinlichen, milliardenschweren Schadenersatzklagen zu stehen. Die Fifa denkt also nicht daran, Katar die WM zu entziehen – im Gegenteil. Generalsekretärin Fatma Samoura sagte neulich erneut: «Wir werden sicherstellen, dass die richtigen Bedingungen herrschen, um das Turnier bestmöglich zu organisieren.»
Die WM-Vergabe vom Dezember 2010 hat bis heute massive Folgen für das damalige Wahlgremium.
Die WM-Vergabe vom Dezember 2010 hat bis heute massive Folgen für das damalige Wahlgremium. Von den 22 Männern, welche die WM 2018 an Russland und 2022 an Katar vergeben haben, ist nur noch ein einziger im Amt und (noch) nicht mit konkreten Vorwürfen eingedeckt: Der Ägypter Hani Abo Ryda.
Die restlichen 21 wurden entweder abgewählt (wenige), sind zurückgetreten (ein paar mehr), verstorben (zwei). Die allermeisten jedoch stecken heute in juristischen Schwierigkeiten oder wurden von der Fifa gesperrt, darunter Ex-Präsident Joseph Blatter, Ex-Uefa-Chef Michel Platini, Deutschlands Lichtgestalt Franz Beckenbauer, Jack Warner aus Trinidad und Tobago, Ricardo Teixeira aus Brasilien und Mohamed Bin Hammam aus Qatar.
(Sendebezug: Tagesschau am Mittag, 16.11.17)