Am Wochenende weilte der neue amerikanische Aussenminister Mike Pompeo in Saudi-Arabien und Israel. Zu Gast bei Teherans Erzfeinden bezeichnete er das Mullah-Regime als «grössten Terrorunterstützer der Welt». Der Iran stehe am Anfang aller Probleme in der Region.
Bis zum 12. Mai will US-Präsident Donald Trump darüber entscheiden, ob er das Atomabkommen mit Iran aufkündigen will; und vor dem Schicksalsentscheid mehren sich die Attacken Richtung Teheran: Am Montag warf der israelische Premier Benjamin Netanjahu dem Iran vor, sein Atomwaffenprogramm heimlich fortzuführen.
Jetzt lässt eine neue Nachricht aufhorchen: Marokko bricht die diplomatischen Beziehungen mit dem Iran ab. Die Regierung in Rabat bezichtigt Teheran der Destabilisierung des Landes. Iran soll – über die verbündete Schiitenmiliz Hisbollah – die Unabhängigkeitsbewegung in der Westsahara unterstützen. Man habe dafür «unwiderlegbare Beweise», sagte der marokkanische Aussenminister am Mittwoch.
Der iranische Aussenamtssprecher Bahram Gassemi wies die Vorwürfe entschieden zurück: «Zu den Prinzipien der iranischen Aussenpolitik gehört die Anerkennung der Souveränität und territorialen Integrität der Staaten und eine Nicht-Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten.» Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah machte israelischen, amerikanischen und saudischen Druck für den Entscheid verantwortlich.
Geht es Marokko aber doch «nur» um Irans vermeintliche Einmischung in innere Angelegenheiten? Isabelle Werenfels, ausgewiesene Kennerin der Region, meldet Zweifel an. Für sie bleibt schwer vorstellbar, dass die «unwiderlegbaren Beweise» für eine iranische Unterstützung der Polisario existieren: «Falls doch würde ich sie gerne sehen.»
Schon in der Vergangenheit habe die marokkanische Regierung die Unabhängigkeitsbewegung diskreditieren wollen, in dem sie ihr Beziehungen zu Dschihadisten in der Sahel-Zone vorgeworfen habe. «Dabei ist es keine religiös angehauchte Bewegung. Sie versteht sich eher in der Tradition klassischer afrikanischer Freiheitsbewegungen, die eher sozialistisch geprägt sind.»
Dass sich die Polisario nun gar mit Teheran verbündet haben sollen, betrachtet die Maghreb-Expertin skeptisch. Allerdings: Die Hisbollah sei in Westafrika durchaus aktiv, in der Region gebe es eine mehrheitlich schiitische Diaspora aus dem Libanon. Und sowohl der saudische als auch der iranische Block versuchten derzeit, ihren Einfluss in der arabischen Welt auszudehnen.
Zudem wirft Marokko dem Iran schon länger vor, im Land zu missionieren: «Es soll auch tatsächlich Konversionen geben. Aber nicht in einem dramatischen Ausmass.»
Werenfels plädiert dafür, den Blick auf die aktuelle geopolitische Lage zu lenken. Die beiden sunnitischen Monarchien Saudi-Arabien und Marokko sind traditionell eng verbandelt, zwischen den Königshäusern gibt es verwandtschaftliche Beziehungen. Zudem beteiligt sich Marokko an der saudisch geführten Militärallianz, die im Jemen gegen die schiitischen Huthi-Rebellen kämpft.
Wurde der Druck auf Rabat zu gross?
Allerdings: In der Katar-Krise von letztem Jahr ging Rabat nicht auf den saudischen Druck ein. Marokko nahm eine neutrale Haltung ein, als Katar allzu freundliche Beziehungen zu Teheran vorgeworfen wurden. Das sei damals diplomatisch sehr klug gewesen, sagt die Nahost-Expertin: «Marokko hat es als einer der wenigen Staaten geschafft, mit Katar und Saudi-Arabien gute Beziehungen zu unterhalten.»
Werenfels vermutet, dass eine solche diplomatische Gratwanderung für Rabat nun nicht mehr möglich ist: Die «grosse Eskalation» um das Iran-Abkommen habe den Druck aus Washington und Riad womöglich noch einmal steigen lassen.
Neben historisch gewachsener Loyalität zwischen den sunnitischen Monarchien dürften aber auch pragmatische Überlegungen eine Rolle spielen. Rabat erhoffe sich auf internationalem Parkett Unterstützung im Westsahara-Konflikt. Dazu kämen handfeste monetäre Interessen, schliesst Werenfels: «Die Golf-Staaten investieren im grossen Stil in Marokko.»