Gemäss den neusten Umfragen liegt die Linkspartei Syriza vorne: Derzeit kann sie bei den Parlamentswahlen vom 25. Januar mit 30,4 Prozent der Stimmen rechnen. Damit liegt sie noch 3,1 Prozent vor der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia.
Alexis Tsipras, Präsidentschaftskandidat und Vorsitzender der Linkspartei, gibt sich siegessicher. Ende Dezember verkündete er bereits: «In wenigen Tagen sind Rettungsaktionen, die an Sparauflagen geknüpft sind, Schnee von gestern. Die Zukunft hat begonnen.»
Schwierig umsetzbare Vorhaben
Seine Partei will die von der EU verordnete Sparpolitik Griechenlands beenden und einen Schuldenschnitt verlangen. Damit bestünde wieder Spielraum für Staatsausgaben. Zum Beispiel für das Sozialwesen oder neue Jobs im öffentlichen Dienst. Finanziert werden soll dies durch eine konsequentere Besteuerung der Reichen und durch die Eintreibung von Schulden.
Es ist fraglich, ob diese Vorhaben umsetzbar sind. Klar ist: In Griechenland und der Eurozone steigt die Nervosität vor den Wahlen massiv. Reto Lipp, SRF-Wirtschaftsredaktor, weiss, welches bei einer Wahl der Syriza die möglichen Szenarien sind.
- Szenario 1: Als Ministerpräsident würde Tsipras seine Forderungen mässigen. «Er könnte sich auf einige symbolische Handlungen beschränken, die nicht zum Austritt aus dem Euro führen», so Lipp. Der Sparkurs Griechenlands würde damit in etwa weiterlaufen wie bisher.
- Szenario 2: Syriza zieht die Forderung nach einem Schuldenschnitt und neuen Staatsausgaben durch. Die Regierung würde in Konflikt geraten mit der EU und vor allem mit Deutschland. «Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone wäre dann eine realistische Möglichkeit.»
Für EU ist Schuldenschnitt keine Option
Laut dem Wirtschaftsexperten darf sich die Syriza keine grossen Hoffnungen auf einen Schuldenschnitt machen. Für die EU komme dieser nicht in Frage, da er erstmals die Steuerzahler direkt belasten würde. «Das wäre politisch vor allem in Deutschland schwierig zu verkaufen.» Die Bundesrepublik trägt die Hauptlast der Hilfskredite von über 240 Milliarden Euro. Ausserdem wolle die EU verhindern, dass andere Länder auf ähnliche Ideen kommen.
Eine harte Linie Tsipras würde damit Griechenland aus der Eurozone hinaus bugsieren. Gemäss Lipp könnte dies sogar dazu führen, dass die griechische Wirtschaft mit einer wiedereingeführten Drachme kurzfristig wettbewerbsfähiger würde. «Die Preise und Produktionskosten würden massiv sinken, was vor allem den Tourismus ankurbeln könnte.»
Harte Linie führt zurück zur Drachme
Der Preis dafür wäre aber hoch. «Griechenland würde über lange Zeit kaum Geld von Investoren bekommen.» Denn laut Lipp wäre die neue Währung schwach und anfällig für weitere Abwertungen. Die angehäuften Schulden in Euro könnten so unmöglich zurückbezahlt werden. Der finanzielle Ruin wäre eine mögliche Folge.
Die Wiedereinführung einer instabilen Drachme hätte vor allem für Sparer und Rentner katastrophale Auswirkungen. «Man kann davon ausgehen, dass sie bis zu 50 Prozent ihrer Vermögen verlieren könnten.»
«Grexit» gefährdet den Euro nicht
Wie es laut dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» von Bundeskanzlerin Merkel tönt, würde ein «Grexit» den Euro nicht mehr gefährden. Dies glaubt auch der Wirtschaftsexperte. Die Eurozone sei stabiler geworden und würde einen Austritt Griechenlands wohl ohne grosse Verwerfungen überstehen. Seit dem griechischen Schuldenschnitt von 2012 hat die EU einen Stabilitäts-Mechanismus eingeführt. Mit ihm können Staaten im Notfall mit bis zu 500 Millionen Euro gerettet werden.
Lipp glaubt indes nicht, dass sich das Austritts-Szenario bewahrheiten wird. Gemäss Experten stehe die Wahrscheinlichkeit dafür bei lediglich 20 Prozent. Die meisten Griechen – laut neuesten Umfragen sind es 74 Prozent – würden in der Eurozone bleiben wollen. Für den Experten ist deshalb klar: «Eine mögliche Links-Regierung dürfte zwar Anstrengungen unternehmen, um das Spardiktat zu lockern, vor einem echten Schuldenschnitt wird sie aber zurückschrecken.»