Es ist kein Bild, das man als westlicher Tourist sehen will. Die wilde Zeltstadt am Hafen von Piräus besteht aus kleinen Iglus, die Reihe an Reihe stehen. Dazwischen schlafen Kinder, Jugendliche, Männer, Frauen fast Schulter an Schulter. «Die Mindestbedingungen an humanitären Standards werden hier nicht eingehalten. Die Unterkunft ist ein eigentlicher Skandal», kritisiert Constance Theisen. Sie leitet das Athener Büro der Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières (MSF). So teilen sich in einem Sektor 800 Menschen zwei Duschen ohne Warmwasser. Auch an genügend mobilen Toiletten fehlt es.
Die Unterkunft ist ein eigentlicher Skandal
In diesem Chaos arbeitet seit einiger Zeit auch der Schweizer Bastian Seelhofer. Er verteilt mit seinem kleinen Team Essen. Sein Hilfswerk «Be aware and share» hat er letzten September gegründet. Wieso sein Engagement? «Wenn mich später mal meine Kinder fragen, was ich in dieser Situation getan habe, dann will ich sagen können, dass ich das Bestmögliche versucht habe und ich am richtigen Ort gewesen bin.» An diesem Tag verteilt er das Frühstück. Das Problem im Lager sei, dass ein Caterer immer das gleiche Essen serviere - Pasta und Linsensuppe. Viele hier würden deshalb krank, hätten Verdauungsprobleme.
MSF kritisiert die EU
«Die Situation im Hafen von Piräus ist die gleiche, wie für die anderen 40'000 Migranten und Flüchtlinge in den anderen offiziellen und inoffiziellen Lagern in Griechenland», gibt Constance Theisen von MSF zu bedenken. Griechenland sei überfordert und die EU setze die Prioritäten anders. «Die EU will vor allem die Grenzen schliessen. Sie fragt sich aber nicht, wie man die Erstaufnahmelager in Griechenland organisieren müsste, wie man die Migranten und Flüchtlinge korrekt aufnehmen könnte.» Ihre Organisation leiste also jene Arbeit, die eigentlich der Staat erfülle müsse.
Dazu komme, dass die Menschen, die jetzt auf den griechischen Inseln ankämen, keine Ahnung hätten, wie es mit ihnen weitergeht. «Sie werden dort festgehalten und keiner weiss, was mit ihnen passiert. Und sie wissen nicht, was sie für legale Wege haben, um in Griechenland zu bleiben.» Am Abkommen zwischen der Türkei und der EU lässt Theisen denn auch kein gutes Haar. «Dieses Abkommen ist für uns völlig inakzeptabel, weil wir von Flüchtlingen sprechen, weil wir von Familien sprechen.» Die EU sage damit, sie wolle diese Menschen nicht bei ihr, aber sie habe kein Problem damit, wenn sie bei ihrem Nachbar [der Türkei] bleiben - der Nachbar, bei dem bereits drei Millionen Flüchtlinge lebten.
Griechenland ist zu einem Gefängnis für 40'000 Flüchtlinge geworden
«Griechenland ist zu einem Gefängnis für 40'000 Flüchtlinge geworden», folgert Bastian Seelhofer. Derweil will Griechenland die Situation am Hafen von Piräus in den Griff bekommen. Die wilde Zeltstadt muss bis Ende April weg sein. Die Regierung versucht, die Flüchtlinge zu überreden, in die Lager im Landesinneren umzuziehen. Doch vorerst bleiben bis zu 4000 Menschen dort.