SRF News: Läuft das Leben heute Morgen in London tatsächglich so normal weiter, wie dies Premierministerin Theresa May betont hatte?
Stefanie Glinski: Zwar ist die Polizei immer noch sehr präsent und man hört immer wieder Helikopter über die Stadt kreisen. Doch im Grossen und Ganzen nimmt das Leben in London seinen gewohnten Gang. Die Londoner wollen sich erklärtermassen nicht einschüchtern lassen. Sie wollen als Stadt stark sein. Die Menschen gehen heute ganz normal zur Arbeit – auch wenn einige möglicherweise den öffentlichen Verkehr meiden und zu Fuss gehen.
Sie selber waren gestern ganz in der Nähe des Anschlagsortes. Wie haben Sie die Attacke erlebt?
Ich befand mich in einem Bus, der gerade dabei war, auf die Westminster-Bridge hinaufzufahren. Da brach plötzlich das Chaos aus: Auf einmal herrschte ohrenbetäubender Lärm von Polizei- und Krankenwagensirenen, die Menschen rannten weg. Wir im Bus wussten in dem Moment noch nicht, was passiert ist.
Wir sassen über eine Stunde fest, während links und rechts Polizeiautos vorbeifuhren und schockierte Menschen wegrannten.
Wie haben die Leute im Bus reagiert?
Sie waren alle völlig schockiert, es herrschte grosse Ungewissheit. Normalerweise unterhalten sich die Londoner im öffentlichen Verkehr ja nicht. Doch gestern sassen wir alle gemeinsam im Bus, sprachen mit dem Fahrer und wollten herausfinden, was passiert ist. Wir sassen über eine Stunde fest, während links und rechts Polizeiautos vorbeifuhren und schockierte Menschen wegrannten. Für uns im Bus war es schlimm, weil wir nicht wussten, was los war, wie es nun weitergeht und was London passiert war.
Wann haben Sie realisiert, dass es sich um einen Terroranschlag handelt?
Wir haben das ziemlich rasch in den Nachrichten gehört, dachten uns aber schon vorher, dass dies der Fall sein könnte. Ich habe in den zwei Jahren, seit ich in London bin, noch nie so viel Polizeipräsenz gesehen wie gestern. Auch ist es sehr ungewöhnlich, dass die Londoner mit schockierten Gesichtern herumrennen.
Wie gehen die Londoner sonst mit der ständigen Terrorgefahr um?
Tatsächlich ist die Terrorgefahr, vor allem nach den Anschlägen von Paris, Brüssel und Berlin, ständig präsent. Doch die Londoner wollen sich davon nicht unterkriegen lassen. Natürlich herrschte gestern nach dem Anschlag ein grosse Chaos, viele Bürogebäude waren im «Lockdown», also hermetisch abgeriegelt, niemand durfte mehr raus oder rein. Die eingesperrten Menschen hatten grosse Angst, auch davor, dass es weitere Attacken geben könnte. Doch dies kann kein Zustand sein: Die Londoner wollen frei leben, und tun dies auch – auch wenn sie sich der Terrorgefahr durchaus bewusst sind.
Das Gespräch führte Marc Allemann.