In der Innenstadt von Wien ist am Montagabend ein islamistischer Terrorangriff verübt worden. Mindestens vier Personen wurden getötet, laut Rettungskräften wurden 17 Menschen zum Teil schwer verletzt. Ein Täter wurde von der Polizei erschossen. Die Ermittler gehen davon aus, dass es noch weitere Täter gibt. Terrorismus-Experte Holger Schmidt mit den ersten Hintergründen.
SRF News: Die Behörden sprechen von einem islamistischen Anschlag. Was ist bis anhin über den Hintergrund der Tat bekannt?
Holger Schmidt: Nach meinem Eindruck haben die österreichischen Ermittlungsbehörden sich vor allen Dingen auf den Mann konzentriert, der gestern Abend im Laufe des Angriffs von der Polizei getötet worden ist. Sie gehen davon aus, dass er diese Taten aus Sympathie für den sogenannten «Islamischen Staat» begangen hat.
Die Gefahr in der Wiener Innenstadt ist im Augenblick noch nicht beseitigt.
Das Geschehen am Montagabend war sehr dynamisch, an mehreren Stellen in der Innenstadt passierte gleichzeitig etwas. Bis zu vier weitere Täter könnten da noch sein. Diese sucht die Polizei im Moment. Sie geht deshalb davon aus, dass die Gefahr in der Wiener Innenstadt im Augenblick noch nicht beseitigt ist.
Die ersten Schüsse fielen in der Nähe einer Synagoge. Was heisst das für das Motiv der Täter?
Darüber wird im Moment noch spekuliert, aber natürlich ist das sofort aufgefallen. Österreichische Medien konaktierten umgehend die jüdische Gemeinde. Diese war völlig überrascht und teilte mit, die Synagoge sei geschlossen. Deswegen war man im ersten Moment fast erleichtert und ging davon aus, dass womöglich nicht viel passiert sei. Wenn sich der Angriff aber tatsächlich gegen die Synagoge gerichtet haben sollte, dann ist es insofern gescheitert, dass da glücklicherweise gar niemand war.
Die Strassen und Gassen um die Synagoge herum waren am Abend vor dem Lockdown extrem gut besucht.
Andererseits waren die Strassen und Gassen um die Synagoge herum gestern, am Abend vor dem Lockdown in Österreich, extrem gut besucht. Es war mildes Wetter und es bot sich geradezu an, noch einmal hinauszugehen. Deswegen kann es genauso gut sein, dass die Menschenansammlungen das primäre Ziel des Täters war.
Deutet etwas auf einen organisierten Angriff hin?
Das ist im Augenblick schwer zu sagen. So schnell, wie das alles passiert ist, so viele Verletzte und Tote, wie es gibt – das deutet tatsächlich darauf hin, dass mehr als eine Person beteiligt gewesen sein könnte. Das ist auch die klare Hypothese der österreichischen Polizei.
Auf den Handyvideos ist immer wieder die gleiche Person zu erkennen.
Mehrere Personen bedeutet immer eine Vorbereitung, eine Logistik dahinter. Auf den Bildern und Handyvideos, die ich in den sozialen Netzwerken gesehen habe, kann ich nur eine Person erkennen, die immer wieder auftaucht. Aber es ist wirklich zu früh, hier definitiv etwas zu sagen.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den jüngsten Anschlägen in Frankreich und den jetzigen in Wien?
Das kann man gesichert nicht sagen. Aber natürlich kann jede terroristische Tat immer auch Motivation für Gleichgesinnte irgendwo auf der Welt sein. Und gerade die islamistischen Terrorgruppen werben immer mit Anschlägen und fordern ihre Anhänger auf, solche Taten zu begehen. Deshalb kann man nicht ausschliessen, dass die Ereignisse in Frankreich der vergangenen Woche hier inspirierend für den oder die Täter gewesen sein könnten.
Das Gespräch führte Claudia Weber.