Der 14. Juli ist der französische Nationalfeiertag. Mit Familienzusammenkünften und einem Feuerwerk wird er im ganzen Land gefeiert. Aber vor sechs Jahren wurde aus dem Feiertag in Nizza ein Tag des Schreckens.
Es war 22:45 Uhr, als ein Lastwagen mit 90 Kilometer pro Stunde in die feiernde Menschenmenge auf der Uferpromenade von Nizza raste. Die Polizei schaltet den Terroristen kurze Zeit später in einem Schusswechsel aus. Vier Minuten und 17 Sekunden dauerte die Todesfahrt des Attentäters: Er tötete 86 Menschen, über 450 wurden verletzt.
«Da war keine Emotion zu sehen»
Patrick Prigent und Jacques Borla waren damals auch auf der Promenade des Anglais. Sie sind Mitglieder des Vereins «Life for Nice», der Opfer des Attentats begleitet. Der LKW fuhr direkt an ihnen vorbei. Patrick Prigent erinnert sich, dass er das Gesicht des Attentäters genau gesehen hat. «Da war keine Emotion zu sehen, er war konzentriert», erzählt er.
Als ich ankam, waren schon Freunde von mir da, sie weinten.
Auch Jacques Borla hatte Glück; ein Freund zog ihn noch rechtzeitig zur Seite, sonst hätte der Lastwagen ihn erfasst. Doch als Jacques seine Familie sucht, fehlt Tochter Laura. Die ganze Nacht und den kommenden Tag ist er auf den Beinen, Freunde bieten ihre Hilfe an, um die 14-Jährige zu finden. Die Hoffnung trägt ihn, bis er ins Polizeirevier gerufen wird.
«Als ich ankam, waren schon Freunde von mir da, sie weinten. Der Kommissar rief uns zu sich, und er hat mir zu verstehen gegeben, dass Laura leider nicht mehr am Leben ist. Ich konnte es nicht glauben. Ich habe mit der Faust auf den Tisch gehauen, das kann nicht sein, ich glaube das nicht, das ist ein Versehen. Sie muss noch leben», erzählt er.
Äusserlich unversehrt, innerlich zerstört
Kurz vor Prozessbeginn sind die schmerzhaften Erinnerungen für Jacques und seine Familie besonders schwer zu tragen. Zu unserem Treffen wollte er nicht alleine kommen und bat daher um die Unterstützung von Patrick.
Eigentlich hat mein Leben am 14. Juli aufgehört.
Patrick Prigent hat selbst keine Angehörigen verloren, aber das Trauma des Erlebten sitzt auch bei ihm tief: «Äusserlich bin ich unversehrt, aber innerlich bin ich zerstört. Ich lebe jeden Tag in der Gewissheit, dass es schnell vorbei sein kann. Aber eigentlich hat mein Leben am 14. Juli aufgehört», sagt er.
Vom Prozess erwartet er sich, dass Aspekte geklärt werden, die bisher noch im Dunkeln liegen – um zu verstehen, wie der Attentäter seine Tat überhaupt umsetzen konnte.
Verfahren wichtig für Trauerprozess
Die Familie Borla kämpft noch immer mit dem schweren Verlust der Tochter und Schwester: Laura hinterlässt eine Zwillingsschwester sowie zwei ältere Geschwister. Das Verfahren ist für die ganze Familie ein wichtiger Schritt im Trauerprozess. Jacques Borla formuliert, was sie alle sich davon erhoffen: «Es soll einen Urteilsspruch geben, denn der Terrorist ist zwar tot, aber er hatte Komplizen. Die müssen dafür bestraft werden, sie sollen dafür bezahlen.»
Ab Montag stehen sieben Männer und eine Frau vor dem Richter. Der Prozess soll ihre Beteiligung als mutmassliche Mitwisser und Helfer klären und den genauen Ablauf des Anschlags rekonstruieren.