- Armut, Perspektivlosigkeit und ein Leben am Rand der Gesellschaft treiben in Afrikas Randregionen die Menschen in die Arme von Extremisten.
- Je höher die religiöse Bildung, desto kleiner ist offenbar die Gefahr, in den Extremismus abzugleiten.
- Zu diesem Schluss kommt eine UNO-Studie. Insgesamt wurden über 500 Personen gefragt.
Es sind Kämpfer der schlimmsten Terrorgruppen, die in Afrika wüten. Junge Männer und auch Kinder, die etwa für Al Shabaab in Ostafrika und Boko Haram im Norden Nigerias Dörfer überfallen, Mädchen entführen. Sie morden und vergewaltigen und zerstören so ganze Dorfgemeinschaften. Terroristen, die im Namen des Islam keine Gnade kennen. Manche von ihnen sehen ihr Fehlverhalten ein, einige können fliehen.
Um zu erfahren, was sie radikalisiert hat, sind die Autoren der UNO-Studie zwei Jahre lang in die gefährlichsten Gegenden gereist, um Aussteiger zu befragen – zu ihrer Kindheit, ihrer Familie, ihrer Erziehung und auch zur religiösen Bildung. Anhand von 500 auskunftswilligen Kämpfern zeigt die Studie zum ersten Mal auf, was junge Männer in die Fänge von Terroristen treibt.
Soziale Faktoren und Ausgrenzung
Das Resultat ist überraschend: Es sind kaum religiöse Ideologien oder islamische Schriften, die aus unauffälligen Schülern extremistische Gewalttäter machen. Im Gegenteil: Je höher die religiöse Bildung, desto kleiner sei die Gefahr, sich terroristischen Gruppierungen anzuschliessen, so die Autoren.
Obwohl die meisten Kämpfer religiöse Gründe für ihre Gewalttaten angaben, gestanden 57 Prozent, dass sie kaum religiöse Schriften lesen oder überhaupt gar keine kennen.
Dass vor allem soziale Faktoren, Armut, Ausgrenzung und Hoffnungslosigkeit die Jungen besonders anfällig machen für die verlockenden Versprechen der Extremisten, ist naheliegend.
Es sind vor allem Jugendliche aus vernachlässigten Randregionen, die in die Gewalt abdriften. Kinder aus unterversorgten Grenzgebieten, wo es keine Arbeit, kein Auskommen gibt und über die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt.
«Reise in den Extremismus in Afrika»
Allerdings, so die UNO-Studie, genügen solche Benachteiligungen meist nicht. Oft entscheidend, ja fast immer ausschlaggebend sind Regierungs-Willkür und staatliche Gewalt. Die meisten befragten Kämpfer haben erlebt, wie sich Politiker bereichern, wie sie manche Menschen besser behandeln als andere.
Viele haben mitangesehen, wie Familienmitglieder oder Freunde verhaftet, misshandelt oder sogar zum Verschwinden gebracht wurden. Es ist das vielleicht ernüchterndste Ergebnis der Studie: 71 Prozent der Ex-Kämpfer gaben an, wegen einer ganz konkreten Regierungsaktion zu Gewalttätern geworden seien.
Die «Reise in den Extremismus in Afrika» – so der Titel der umfangreichen Studie – kann denn nur mit einem massiven Einsatz vor Ort, in den Gemeinden gestoppt werden. Mit wirtschaftlicher Förderung etwa.
Lokale Projekte fördern
Gezielte Entwicklung bringe mehr Sicherheit, so die Autoren, in- und ausserhalb der Randregionen. Denn der stark steigende Extremismus in Afrika sei eine Gefahr für die globale Entwicklung und die Sicherheit weltweit.
Ebenso wichtig sei aber die Stärkung lokaler Projekte und Führungspersonen, auch der Imame, die sich für Toleranz und Gerechtigkeit und den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft einsetzten.
Die Autoren sind überzeugt: Angesichts des massiven Misstrauens in die Politik können nur lokale Vertrauensleute die Jungen vom Weg in den Extremismus abhalten.