Vor dem Nationalmuseum in Bangkok teeren Arbeiter eine Strasse quer durch den Garten. Sie führt zu einer Werkstatt, in der die königlichen Wagen stehen. Der grösste von ihnen wurde vor mehr als 200 Jahren aus Holz gebaut und ist mit seinen gewaltigen, rot lackierten Rädern beinahe 14 Tonnen schwer.
Der König kam vom Himmel, jetzt wird er dahin zurückkehren.
Die kunstvollen Schnitzereien sind üppig mit Goldplättchen bedeckt und selbst die Vorhänge des aufgebauten Baldachins sind golden. «Auf diesem Wagen wird am Tag der Kremation die königliche Urne transportiert – gezogen von 220 Soldaten», erklärt Suppawan Nongnut. Sie ist Kuratorin des Nationalmuseums von Bangkok.
Die aus Gold gefertigte königliche Urne ist mit Diamanten bestückt. In ihr werden Haare des Königs und seine Fingernägel gelegt. Der Körper des Verstorbenen wird in einem Sarg aus Sandelholz transportiert. «Der König kam vom Himmel, jetzt wird er dahin zurückkehren. Wir müssen sicherstellen, dass alle königlichen Traditionen befolgt werden», sagt Nongnut.
Dabei werden weder Aufwand noch Kosten gescheut. Die Militärjunta hat umgerechnet 30 Millionen Franken für die fünftägige Zeremonie und deren Vorbereitungen eingeplant. Allein der Aufbau der königlichen Kremationsstätte kostet 15 Millionen Franken.
Goldener Pavillon als Krematorium
Auf einem gigantischen Platz in der Nähe des Palasts instruiert ein Architekt seine Arbeiter. Sie arbeiten an einem Förderband, das zum grössten der goldbemalten Pavillons führt. Darin wird der elektrische Ofen eingebaut, in dem der Leichnam des Königs verbrannt wird.
Die Pavillons stehen auf einem künstlichen Hügel, um den das Wasser plätschert. Der Hügel symbolisiert das Zentrum des Universums. Hier wohnt laut hinduistischer Mythologie der Gott Vishnu, der Erhalter des Universums. König Bhumibol sei eine Inkarnation des Gottes gewesen, glaubt Pornthum Thumwimol, der Landschaftsarchitekt des Kremationsgeländes.
«Der König war ein lebender Gott. Er hat den Menschen viel geholfen und etwa tausende Wasserprojekte initiiert. Nun kehrt er in den Himmel zurück, weil seine Arbeit beendet ist», ist Thumwimol überzeugt. Der König sei im ganzen Land beliebt gewesen. «Deshalb bin ich sehr glücklich, dass ich jetzt bei dieser besonderen Arbeit mithelfen kann.»
200 mythologische Tiere und 99 Fische, angefertigt von Künstlern, sollen die Zeremonie überwachen. Neben den Pavillons für die Hindu-Priester und die buddhistischen Mönche steht ein grosses Gebäude für die königliche Familie und deren Ehrengäste bereit.
Nach der Kremation im Oktober wird alles abgebaut und an Museen und Tempel verteilt. Denn es brächte dem neuen König Unglück, wenn die kunstvoll errichtete Anlage stehen bleiben würde, so der Glaube.
Die Kremation ist eine Zeitenwende für Thailand.
Die Kremation des beliebten Königs sei jedoch viel mehr als ein traditionelles Ritual, sagt Henning Glaser. Er ist Direktor des German-Southeast Asian Center of Excellence for Public Policy and Good Governance an der angesehenen Thammasat Universität in Bangkok.
Glaser beobachtet das politische Geschehen in Thailand sehr genau: «Die Kremation ist eine Zeitenwende. Sie wird die Herrschaft des alten Königs beenden und die neue Ära unter dem jetzigen Königs wirklich einleiten.»
Das ist nach 70 Jahren unangefochtener Herrschaft nicht einfach. Tatsächlich hat Bhumibols Sohn Maha Vajiralongkorn schon im vergangenen Dezember sein Amt übernommen. Bhumibol war während seiner letzten Lebensjahre krank und konnte kaum mehr regieren – das habe sich mit seinem Sohn jetzt geändert, erklärt Glaser.
So akzeptierte der neue König Verfassungsänderungen nicht, die ihm von der Militärjunta vorgelegt wurden. Dabei ging es um seine Rolle als König und seinen Einfluss auf die Politik.
Der neue, 65-jährige König habe dafür Sorge getragen, dass seine Position so bleibe, wie sie auch sein Vater inne hatte. «Das war überraschend und dem hat die Regierung sofort entsprochen. Daran kann man sehen, dass der König seine Rolle voll ausgefüllt hat», sagt Thailand-Kenner Glaser.
Majestätsbeleidigung ist eine Todsünde
In Thailand ist die Königsfamilie zudem durch ein extrem strenges Majestätsbeleidigungsgesetz geschützt. Auf Majestätsbeleidigung stehen bis zu 15 Jahre Haft. In den vergangenen drei Jahren wurden in diesem Zusammenhang mehr als 100 Personen verhaftet.
Das ist nicht nur dafür ein Zeichen, dass Kritik am Königshaus extrem gefährlich ist, sondern auch, dass der Raum für Kritik in Thailand unter der Militärjunta kleiner geworden ist. Und das wird sich wohl auch unter dem neuen König nicht ändern. So wurden im August acht junge Leute wegen Majestätsbeleidigung angeklagt, darunter ein 14-jähriges Kind. Sie sollen Bilder des neuen Königs Maha Vajiralongkorn angezündet haben.
Während in den königlichen Werkstätten die Arbeiter an den letzten Verzierungen am Sarg für den verstorbenen König arbeiten, hat der neue König also seine Macht im Volk und auch gegenüber der Militärjunta bereits zementiert.