Ein Kasten aus Sperrholz, wo gerade noch ein Kriegsheld aus Bronze stand – auf einem kleinen Platz im sechsten Bezirk von Prag. «Konew ist ein Befreier», hat jemand auf den Kasten gesprayt.
Iwan Konew war Marschall der Sowjetunion, Kämpfer gegen die Nazis, ein Befreier des Konzentrationslagers Auschwitz und von Teilen der Tschechoslowakei. Er war aber jener, der den ungarischen Aufstand gegen die Sowjetunion niederschlug, den Berliner Mauerbau überwachte und den Geheimdienst auf tschechische Anti-Kommunisten ansetzte.
Konew – gut oder böse?
Gut, sagt ein Mann mit sauber gestutztem Bart, man hätte die Statue des Helden stehen lassen sollen. Viele Tschechen sehen das anders: «Klar, die Russen haben Blut für uns Tschechen vergossen», sagt einer und fügt hinzu: «Heute vergessen sie aber, wo die Grenzen ihres Einflusses sind. Deshalb müssen wir sie ihnen zeigen.» Tschechien entscheide selbst über seine Denkmäler.
Genau so sieht es Ondrej Kolar. Er ist der Bürgermeister des sechsten Prager Bezirks, der die Konew-Statue entfernen liess. Jetzt sitzt er in seinem riesigen Büro, wenige Minuten vom kleinen Platz entfert. Vor der Tür steht ein Polizist. «Wo immer ich hingehe, geht auch die Polizei hin. Das ist ziemlich seltsam», sagt er.
Immer wieder beschmiert
Angefangen hatte es vor fünf Jahren: Kolar war frisch Bezirksbürgermeister, als wieder jemand die Statue mit roter Farbe beschmierte. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal. Jedes Mal bezahlte der sechste Bezirk die Reinigung.
Irgendwann hatte Kolar die Nase voll, schrieb der russischen Botschaft, empfing deren Diplomaten. «Wir schenken euch die Statue, für den Garten der Botschaft – dort ist Marschall Konew sicher vor Vandalen», schlug er vor.
Nazi-Vorwürfe folgten
Die russische Reaktion: Niet. Und eine Kampagne im Internet, Kolar wolle die Geschichte umschreiben. «Der damalige russische Kulturminister sagte, ich sei ein Nazi-Gauleiter und sollte auch so behandelt werden», erzählt Kolar.
Der damalige russische Kulturminister sagte, ich sei ein Nazi-Gauleiter und sollte auch so behandelt werden.
Tschechische Russland-Freunde demonstrierten vor der Konew-Statue, zusammen mit Kommunisten und russischen Diplomaten: Konew müsse bleiben, wo er sei. Kolar sagt, er habe keinen Treffpunkt der Extremen gewollt in seinem Bezirk – das lokale Parlament auch nicht. Es entschied, Konew zu entfernen und in ein Museum zu stellen.
Giftmord-Drohung erfunden
«Die Leute haben applaudiert, als wir den Marschall abbauten», sagt der Bezirksbürgermeister. Und dann folgten Gerüchte, russische Agenten wollten Kolar vergiften – und Polizeischutz: «Das war ein Schock für mich; wir wissen ja, wozu die Russen fähig sind.»
Das war ein Schock für mich; wir wissen ja, wozu die Russen fähig sind.
Inzwischen weiss man, dass die Geschichte mit dem Gift nicht stimmt. Mitarbeiter der russischen Botschaft hatten sie erfunden. Tschechien hat zwei von ihnen ausgewiesen. Russland ist wütend. Reden mit Radio SRF wollte die russische Botschaft nicht.
Das alles sei nur passiert, weil es zu viele Russland-Freunde mit Einfluss in Tschechien gebe, so Kolar. Sogar Präsident Milos Zeman habe die Russen verteidigt: «Unsere höchsten Politiker stehen nicht für uns ein.» Die kommunistische Partei Tschechiens behauptet, Kolar habe Nazi-Vorfahren. Er hat sie deswegen verklagt.
Unsere höchsten Politiker stehen nicht für uns ein.
Die Geschichte habe aber auch etwas Gutes, hört man in Prag: Endlich rede man über die eigene Vergangenheit und das Verhältnis zu Russland. Wichtig in einem Land, in dem der Riese im Osten vielen Angst macht – und einige Einflussreiche ihn bewundern.