Wie immer herrscht ein geschäftiges Treiben am Hafen der senegalesischen Kleinstadt Ziguinchor, bevor die «Joola» ablegt. Händlerinnen, Militärs und Familien – sie alle wollen mit dem Schiff nach Dakar, in die Hauptstadt Senegals.
Doch dieses Mal, am 26. September 2002, drängen sich noch deutlich mehr Menschen als sonst an Bord des 80 Meter langen Passagierschiffs. Rund 2000 sind es am Ende – viermal mehr, als das Schiff laut dem deutschen Hersteller eigentlich transportieren sollte.
64 Menschen überlebten – Akte geschlossen
Trotzdem fährt das Schiff am Abend los. Zuerst den Casamance-Fluss herunter, dann auf den offenen Atlantik, wo es über Nacht der Küste entlang nach Dakar fahren sollte. Doch die «Joola» erreicht ihr Ziel nicht. Als ein Sturm aufzieht, gerät das völlig überladene Schiff rasch in Seenot. An Bord bricht Panik aus. Dann kentert die «Joola». Nur 64 Menschen überleben das Unglück, über 1900 ertrinken in jener Nacht.
Abdoulaye Wade, der damalige Präsident Senegals, verspricht kurz darauf, die Ursachen des Unglücks zu klären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch es passiert wenig. Die Regierung und das Militär, das das Schiff betrieb, zeigen kaum Interesse an einer Aufklärung. Ein Jahr später wird die Akte Joola offiziell geschlossen, fast alles bleibt unklar.
Gegen das Vergessen kämpfen
Diesen September nun, ganze 22 Jahre nach der Tragödie, ist in Ziguinchor erstmals ein Museum mit dazugehörigem Denkmal zum Untergang der Joola eröffnet worden. Für viele Hinterbliebene ist das ein wichtiger, langersehnter Schritt.
Man wusste, dass das Schiff nicht hochseetauglich war, warum fuhr es trotzdem? Es gibt immer noch so viele offene Fragen.
Einer von ihnen ist Samsidine Aidara. Er verlor beim Unglück vier Geschwister. Zusammen mit weiteren Hinterbliebenen kämpft er gegen das Vergessen. Am Telefon sagt er: «Die Erinnerung an das Unglück verschwindet langsam. Es ist deshalb wichtig, dass es endlich eine Erinnerungsstätte gibt.»
Für Aidara geht es aber nicht nur darum, die Erinnerung an das Unglück wachzuhalten. Das Drama sei geschehen, es lässt sich nicht rückgängig machen, sagt er. «Nun ist es wichtig, aus den damaligen Verfehlungen zu lernen – auch in anderen Bereichen.»
Aidara spricht von der Korruption in Senegal, von Vetternwirtschaft und davon, dass die Mächtigen kaum je zur Rechenschaft gezogen würden. Genau diese Missstände hätten am Ursprung des Unglücks vor 22 Jahren gestanden, sagt er. Und diese Missstände seien seither nicht verschwunden – im Gegenteil.
Viele offene Fragen
Dass zum Untergang der Joola bis heute so vieles unklar ist, sei doch Beleg dafür: «Man wusste, dass dieses Schiff nicht hochseetauglich war. Wieso also fuhr es trotzdem? Wer war verantwortlich? Wer hat die Tickets verkauft? Wohin ging das Geld? Es gibt noch immer so viele offene Fragen.»
Aidara möchte deshalb weiterkämpfen. Für die Wahrheit, aber auch dafür, dass ein weiteres Versprechen der Regierung umgesetzt wird. Bis heute liegt die Joola nämlich auf dem Meeresgrund – in 20 Meter Tiefe. Das Schiff werde geborgen, heisst es von Senegals Regierungen schon seit 20 Jahren. Geschehen ist indes nichts.
Für Aidara und viele andere Hinterbliebene sei das inakzeptabel, sagt Aidara. Er wolle endlich seine Geschwister beerdigen – hier an Land, nicht eingesperrt irgendwo im Wrack der Joola. Das Meer, ergänzt er, sei schliesslich kein Friedhof.