Jahrzehnte lang hat Jean-Marie Le Pen die französische Politik geprägt. Nun ist er 96-jährig gestorben. Der Gründer und langjährige Präsident des rechtsextremen Front National gewann ab Anfang der 1970er-Jahre zunehmend an Einfluss. Wegen der Verharmlosung von Nazi-Verbrechen und Anstachelung zu Hass wurde er wiederholt verurteilt. Seine Grenzüberschreitungen wurden selbst seiner Partei – und seiner Tochter zu viel.
Höhepunkt der Laufbahn im Jahr 2002
Am 21. April 2002 erreicht Le Pen den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn. Er überholte im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl zur allgemeinen Überraschung den Sozialisten, Premierminister Lionel Jospin, knapp und qualifizierte sich für den zweiten Wahlgang. Le Pen profitierte von der Zersplitterung der politischen Linken.
Jean-Marie Le Pen – Rechtsextremer Gründer des Front National
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Bild 1 von 6. Jean-Marie Le Pen mit seiner Tochter Marine im Jahr 1988. Heute führt sie sein politisches Erbe fort – auch wenn sie sich von den politisch haarsträubenden Aussagen zur Nazizeit (z.B.: «Die Gaskammern waren ein Detail in der Geschichte») des Vaters inzwischen klar distanziert. Bildquelle: Reuters/Charles Platiau.
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Bild 2 von 6. Jean-Marie Le Pen 1996 mit dem Generalsekretär des Front National, Bruno Mégret (links). 1998 kam es zum Streit: Mégret spaltete sich mit der Hälfte der Parteiführung ab und gründete das Mouvement National Républicain (MNR). Mégret machte Le Pens Führungsstil für den ausbleibenden Erfolg des Front verantwortlich. Das MNR blieb jedoch erfolglos. Bildquelle: Reuters/Jean-Paul Pelissier.
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Bild 3 von 6. Seinen grössten politischen Erfolg feierte der Rechtsextremist Le Pen 2002 bei der Präsidentenwahl, als er es in den zweiten Wahlgang schaffte. Dort unterlag er dem Republikaner Jacques Chirac allerdings klar: Le Pen erhielt bloss 17 Prozent der Stimmen. Bildquelle: Reuters/Eric Gaillard.
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Bild 4 von 6. Jean-Marie Le Pen mit Tochter Marine am 1. Mai 2012 in Paris: Rund ein Jahr zuvor hatte sie den Parteivorsitz des Front National von ihrem Vater übernommen. Unter ihrer Führung sollte die Partei 2018 in Rassemblement National umbenannt werden. Marine blieb Parteivorsitzende des Rassemblement bis November 2022. Bildquelle: Reuters/Charles Platiau.
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Bild 5 von 6. 2015 eskalierte der Streit zwischen Vater und Tochter Le Pen – Jean-Marie wurde vom Front National, den er 1972 gegründet hatte und dessen Ehrenvorsitzender er inzwischen war, ausgeschlossen. Dagegen wehrte er sich vor Gericht (Bild), blieb dabei aber erfolglos. Bis 2019 blieb Jean-Marie aber Abgeordneter im EU-Parlament – als Parteiloser. Bildquelle: Reuters/Charles Platiau.
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Bild 6 von 6. Jean-Marie Le Pen verstarb am 7. Januar 2025 im Alter von 96 Jahren in einem Pflegeheim bei Paris. (Bild von 2019). Bildquelle: Keystone.
Jetzt rief er seine eigene Anhängerschaft zur Einigkeit auf: «Habt keine Angst.» Le Pen ahnte wohl, welchen Sturm der Entrüstung sein Einzug in die Stichwahl auslösen würde. Es kam in Frankreich zu heftigen Protesten. In der zweiten Runde wurde Jacques Chirac mit einem Stimmenanteil von 82 Prozent klar im Amt bestätigt. Doch der rechtsextreme Aussenseiter Le Pen war so etwas wie salonfähig geworden.
Politik-Einstieg in den 1950er-Jahren
In die Politik eingestiegen war Jean-Marie Le Pen bereits in den 1950er-Jahren. Eben dann meldete er sich als Freiwilliger zum Einsatz im Algerienkrieg. Dabei soll er sich auch an Folterungen beteiligt haben. Was er zuerst zugegeben, anschliessend wieder bestritten hatte.
1972 gründete er seine eigene Partei, den Front National, ein Sammelbecken für rechtsnationale Wählerinnen und Wähler, die Le Pen gezielt mit rassistischen und antisemitischen Parolen bediente. Den Satz, die Gaskammern im Zweiten Weltkrieg seien ein Detail der Geschichte, wiederholte er trotzig – auch nachdem er von der Justiz dafür gebüsst worden war.
Partei für die Vernachlässigten
Le Pen sprach gezielt Wählende an, die sich von den traditionellen Parteien vernachlässigt fühlten. Arbeiter, die der Niedergang der Industrie aus der Bahn geworfen hatte. Die Bevölkerung der Randregionen, die sich übergangen fühlten, genauso wie jene in den schwierigen Vororten von Paris und anderen Städten in Frankreich.
Le Pen profilierte den Front National als Anti-System-Partei. Seine Provokationen fanden zunehmend medialen Widerhall, aber sie schreckten auch viele Wählende ab, was dem politischen Einfluss des Front National Grenzen setzte.
Vater-Tocher-Konflikt dauerte bis zuletzt
Le Pen führte seine Partei als Familienunternehmen. Als über 80-Jähriger übergab er die Führung an seine Tochter Marine. Sie vertrat zwar die gleichen Ideen wie ihr Vater, aber sie wollte einen anderen Politikstil, sprach von einer Entdiabolisierung der Partei und warf ihren Vater wegen antisemitischer Aussagen aus der Partei.
Dies traf ihn tief. Er schäme sich, dass die Präsidentin des Front National seinen Namen trage. Sie solle schnell heiraten, damit sie nicht mehr Le Pen heisse. Marine Le Pen konterte: Ihr Vater wisse genau, wie er andere mit Worten so tief wie möglich verletzen könne.
Der Vater-Tochter-Konflikt bei den Le Pens dauerte bis zuletzt. Als Fraktionschefin verzichtet Marine Le Pen weitgehend auf schrille Töne und wird so populärer, was ihren Vater irritierte. Er kritisierte, die Partei mache zu wenig politischen Lärm, mit dem er die Partei gross gemacht hatte.