John McCain ist am Wochenende an Krebs gestorben. Er war Kriegsveteran, stramm konservativ, stand für die traditionellen Werte der republikanischen Partei, war aber auch ein Einzelgänger. Während über 30 Jahren vertrat McCain den Staat Arizona im US-Senat. Er war ein Kritiker des aktuellen US-Präsidenten Donald Trump, hat dessen Wahl aber überhaupt erst möglich gemacht, wie Christian Lammert, Experte für US-Politik, zu bedenken gibt.
SRF News: Was bedeutet John McCains Tod für die Republikaner?
Christian Lammert: Das schwächt die traditionellen Werte innerhalb der republikanischen Partei, etwa dass man klare Positionen formuliert. Und dass man – was vor allem McCain wichtig war – für das transatlantische Bündnis stand, für die Idee des Westens. Er war zwar sicherheitspolitisch ein Hardliner und hat den europäischen Ländern mit seinen harten Positionen häufig Probleme bereitet, aber er war ein verlässlicher Verhandlungspartner. Das geht nun ein bisschen verloren in der Partei, die sich hinter Trump gestellt hat.
Medien berichten, eine Ära gehe zu Ende. Teilen Sie diesen Eindruck?
Das muss man mit Vorsicht geniessen. Zwei Aspekte gilt es zu berücksichtigen. Auf der einen Seite werden, wenn jemand stirbt, immer die positiven Aspekte betont. Das ist auch richtig so. Also kann man McCain jetzt auch loben. Zum anderen ist das Lob, von dem man von Staatschefs aus der ganzen Welt und auch in der Presse liest, immer auch ein Urteil über Donald Trump. Das ist die Zäsur, die zeigt, dass sich die USA unter Trump verändert haben, dass es keine Politiker mehr gibt, die gegen ihn aufstehen. McCain hat das oft gemacht. Er hat bewegende Reden gehalten. Er sagte, man müsse versuchen, die USA wieder zu einem verlässlichen Partner zu machen.
Ist nun keine Kritik mehr von republikanischer Seite an Trump zu erwarten?
Das ist zu befürchten. Von den Politikern, die momentan an der Parteispitze, im Senat und im Repräsentantenhaus sind, hört man überhaupt keinen Widerstand gegen die Politik der Administration. Die Partei ist verunsichert und tief gespalten. Man weiss nicht genau, ob man mit oder ohne Trump besser dasteht. Und solange man hier keine klare Position findet und nicht klar artikuliert, mit welchen programmatischen Punkten die Partei künftig Wahlen gewinnen will, solange ist sie nur noch ein Wahlverein für Donald Trump.
Eines bleibt von McCain in Erinnerung: Jahrelang wollten die Republikaner Obamacare kippen. Im entscheidenden Moment verhinderte dies McCain.
Ja, das war ganz wichtig – gerade für sein Ansehen als Politiker, der auch bereit ist, mal über Parteigrenzen hinweg mit den anderen politischen Kräften zusammenzuarbeiten, wenn er von bestimmten Positionen überzeugt war.
Die Parteiposition ist in den USA momentan wichtiger als pragmatische Politik.
Ihm ging es in einigen Bereichen tatsächlich um eine bestimmte Politik, nicht um die Parteiposition. Er hat auch schon vorher mit den Demokraten zusammengearbeitet, etwa im Bereich Umweltpolitik oder Wahlkampffinanzierung. Er hat sich in grossen Fragen als eigenständiger Politiker präsentiert und erfolgreich Gesetze durchbringen können – zum Teil gegen den Willen der eigenen Partei. Das ist etwas Aussergewöhnliches in den USA. Die Parteiposition ist da momentan wichtiger als pragmatische Politik.
McCain wollte in gewissen Punkten mit den Demokraten zusammenarbeiten. Ist auch dies nun ein Ding der Vergangenheit?
Ja, das ist schon seit einigen Jahren so. Und hier muss man vielleicht auch etwas Kritik an McCain äussern. Er hat zwar in einigen Programmpunkten mit den Demokraten zusammengearbeitet. Aber ansonsten, wenn man sich sein Abstimmungsverhalten im Senat anschaut, war er eigentlich ein sehr treuer Parteisoldat. Und wenn Parteien das Abstimmungsverhalten ihrer Mitglieder im Kongress so stark kontrollieren, führt das zu einer politischen Blockade.
McCain hat somit auch die radikaleren Positionen, die man mit der Tea Party verbindet, salonfähig gemacht.
Das ist ein grosses Problem. Denn das US-System ist so angelegt, dass man überparteiliche Zusammenarbeit braucht, um in bestimmten Fragen Einigkeit zu erzielen. Das ist verlorengegangen. Das stärkt das Amt des Präsidenten, weil dieser jetzt verstärkt mit exekutiven Anordnungen reagieren kann.
Zweimal wollte McCain selber Präsident werden. 2008 war seine Kandidatin für die Vizepräsidentschaft Sarah Palin, Galionsfigur der Tea Party. Was für eine Bedeutung hatte es für seine Partei, dass er sich für sie entschied?
Es war ein Wendepunkt, auch für McCain. Er sagte damals: «Ich muss der Spaltung in der republikanischen Partei, die sich mit der Formierung der Tea Party zeigt, Rechnung tragen, und nominiere Sarah Palin als Vizekandidatin.»
Er hat somit auch die radikaleren Positionen, die man mit der Tea Party verbindet, salonfähig gemacht – und damit auch den Boden bereitet für den Erfolg Trumps. Es ist eine direkte Linie zwischen den Wahlen von 2008 und 2016: Die Proteste der Tea Party haben sich verstärkt, sie wurden auch instrumentalisiert, zum Beispiel von den Koch Brothers, die sehr viel Geld investierten, um die Tea-Party-Bewegung auszubauen. Das hat zu einer weiteren Spaltung der republikanischen Partei geführt, zu einer Isolierung moderater Politiker wie McCain. Und das hat im Endeffekt Trump ermöglicht.
Dennoch haben McCain und Trump sich zerstritten. Hat McCain seinen Entscheid von damals bereut?
Ja, er hat direkt nach der Wahl gesagt, dass Obama jetzt auch sein neuer Präsident sei. Daran kann man sehen, dass er versucht hat, die Brücken zu den Demokraten wieder aufzubauen, die er vorher mit Palins Nominierung teilweise abgebaut hatte, dass er das wieder relativieren wollte. Er hat sich – spätestens nachdem er gesehen hat, dass Trump sich erfolgreich durchsetzen kann – ganz klar gegen dessen Politik gestellt. Er hat bei mehreren Reden gesagt, dass dies nicht die Politik sei, die die USA eigentlich darstellten.
Ich glaube, er hat realisiert, was er mit diesem Wahlkampf 2008 angerichtet hat. Er hat versucht, die Lage zu kontrollieren, und das hat das Verhältnis zwischen den beiden natürlich völlig zerstört. Trump hat McCain mehrfach angegriffen. Er wollte nicht anerkennen, dass er ein Kriegsheld ist, weil er sich hat gefangennehmen lassen. Auch jetzt wollte Trump kein Statement aus dem Weissen Haus zum Tode von McCain herausgeben. McCain hat als Hinterlassenschaft noch gesagt: Auf seiner Beerdigung sollen George W. Bush und Obama sprechen, aber nicht Donald Trump. Hier sieht man, wie tief die Missgunst zwischen den beiden war.
Das heisst, die Republikaner verlieren einen wichtigen konservativen Mitstreiter, aber auch einen Stachel im Fleisch der Regierung Trumps?
Das ist eine sehr gute Einschätzung. McCain war immer ein ganz klarer Konservativer. Man konnte sich an ihm reiben, aber er hatte feste Positionen, war verlässlich in der politischen Auseinandersetzung. Man konnte mit ihm verhandeln. Viele haben ihn auch als sehr humorvoll beschrieben, was auch sehr wichtig ist in der Politik. Ich glaube, die transatlantischen Partner und auch die republikanische Partei haben einen wichtigen Politiker verloren.
Das Gespräch führte Raphaël Günther.