«Es tut mir leid Mama, mein Weg ins Ausland ist nicht erfolgreich. Mama ich liebe Dich so sehr, ich sterbe, weil ich nicht atmen kann.» Das war die letzte SMS der 26-jährigen Vietnamesin Pham Thi Tra Mys. Die Nachricht ging um die Welt, denn sie war eines der 39 Todesopfer, die im Lastwagen gefunden wurden. Die Opfer waren zwischen 15 und 44 Jahre alt und sie alle starben an Sauerstoffmangel und Überhitzung.
Lastwagenfahrer hatte gestanden
Nun stehen vier Männer im Zusammenhang mit dem Fall in London vor Gericht. Den Angeklagten wird fahrlässige Tötung, Beteiligung an Menschenhandel sowie illegaler Einwanderung vorgeworfen. Der 25-jährige Lastwagenfahrer hatte sich im April der fahrlässigen Tötung schuldig bekannt, seine Haftstrafe steht noch aus. Ihnen allen drohen mehrjährige Gefängnisstrafen.
Vor zwei Wochen hat ein Gericht in Vietnam mehrere Hintermänner zu Gefängnisstrafen verurteilt. Weitere Prozesse in Europa werden folgen, denn kürzlich gab es im Zusammenhang mit dem Fall Dutzende Festnahmen in Frankreich, Belgien, und Deutschland.
18’000 Vietnamesen versuchen es jährlich
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf das Elend rund um 18‘000 Vietnamesen, die jährlich versuchen, nach Europa zu gelangen. Umgerechnet zwischen 10‘000 bis zu 40‘000 Franken bezahlen die Familien den Schleppern. Diese versprechen, je mehr man bezahlt, desto risikofreier sei die Reise. Doch das stimmt längst nicht immer. Hoang Thi Ai hat ihren Sohn verloren und erklärt: «Ich dachte, er hätte eine sichere Route. Hätte ich gewusst, dass sie ihn in einen Lastwagen stecken, hätte ich ihn nicht gehen lassen.»
«Der Schuldenberg ist riesig»
Viele Vietnamesen stammen aus armen Regionen und riskieren ihr Leben, um ihren Familien eine bessere Zukunft zu ermöglichen. So auch der 30-jährige Le Van Ha. Sein Vater ist krank und konnte nicht mehr arbeiten, ohne ihn reicht das Geld nicht für die ganze Familie.
Le Van Ha stirbt 6000 Kilometer von zu Hause kurz vor dem Ziel. Er hinterlässt nicht nur zwei Kinder und trauernde Angehörige, sondern auch Schulden. Denn um die Reise zu finanzieren, bürgte die ganze Familie mit ihrem Hab und Gut, also ihrem Haus. Der Vater Le Minh Tuan weint und erklärt: «Der Schuldenberg ist riesig. Ich bin krank und arbeitsunfähig und ich muss seine Kinder erziehen. Keine Ahnung, womit wir die Schuld bezahlen sollen.»
Probleme werden kaum bekämpft
Wer die Reise schafft, dem droht in Grossbritannien ausgebeutet zu werden. Viele Vietnamesen arbeiten für Hungerlöhne in Nagelstudios oder illegalen Hanfplantagen.
Im aktuellen Fall hat die Polizei und die Justiz effizient gearbeitet. Der Prozess wird voraussichtlich acht Wochen dauern. Was aber fehlt, ist die konsequente Bekämpfung der Probleme hinter der Tragödie. Dazu gehören Schlepperbanden aber umgekehrt auch die Ausbeutung der Migranten. Dies war nicht der erste Fall dieser Art und es muss damit gerechnet werden, dass in Zukunft ähnlich schreckliche Funde gemacht werden.