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Top-Unis für den Nachwuchs «Haben sogar Spielnachmittage überwacht und gelenkt»

Viele US-Eltern scheuen keinerlei Mühen, ihren Kindern den Weg zu Elite-Universitäten zu ebnen. Eine Mutter erzählt.

Der Skandal ist bezeichnend: Vergangenen Mittwoch mussten in den USA zwei bekannte Schauspielerinnen vor dem Richter zu einer Anhörung erscheinen – beide hatten mit Bestechungsgeldern von bis zu 400'000 Dollar dafür gesorgt, dass ihre schulisch mittelmässigen Kinder von Elite-Universitäten und Colleges aufgenommen wurden.

Seit diese Fälle von gekauften Studienplätzen aufgeflogen sind, wird in den USA heftig diskutiert. Fest steht: In der US-Hochschulbildung liegt einiges im Argen. Die Ausbildungskosten sind exorbitant hoch, was Kinder von wohlhabenden Eltern bevorteilt.

Zudem hat in den letzten Jahren ein eigentliches Rennen eingesetzt um die raren Studien-Plätze an den Top-Universitäten. Denn diese scheinen für das spätere Leben Berufserfolg und ein hohes Einkommen zu garantieren.

Ofelia Chiavacci, Mutter von drei Kindern, erklärt, welche Anstrengungen heute erbracht werden, um den Nachwuchs an eine Top-Uni zu bringen. Sie lebt mit ihrem Mann im Süden von Miami. Ihre Kinder haben die College-Ausbildung kürzlich abgeschlossen. «Wir haben für jedes Kind ein ‹Prepaid-College-Konto› eingerichtet, so dass ein grosser Teil der Ausbildungskosten vorhanden war, als sie das 18. Lebensjahr erreichten.»

250'000 Dollar für ein Bachelor-Studium

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Ein vierjähriges Bachelor-Studium an einem Elite-College wie Harvard, Yale oder Stanford kostet mittlerweile eine Viertelmillion Dollar.

Viele Eltern machen sich deshalb bereits bei der Geburt ihrer Kinder erste Gedanken um die spätere Hochschulbildung. Es existieren verschiedene staatliche Programme, mit Hilfe derer Eltern steuerfrei Geld zur Seite legen können für die Ausbildung ihrer Sprösslinge.

Die Chiavaccis können sich damit glücklich schätzen. Längst nicht alle Familien sind in der Lage, rechtzeitig vorzusorgen. Viele Familien müssen Schulden machen, um den Sprösslingen einen College-Abschluss zu ermöglichen. Derzeit gibt es in den USA einen Schuldenberg in der Höhe von 1.5 Billionen Dollar. Jeder Zehnte kann seine College-Schulden nie zurückzahlen.

Das Ticket für den «Club der Reichen»

Zwar bieten vor allem die sogenannten Community-Colleges Ausbildungslehrgänge an, die viel günstiger sind. Aber in den letzten Jahren hat sich in den USA der Kampf um die wenigen Studienplätze an Elite-Colleges verschärft. Ein Diplom von Harvard, Stanford, Princeton oder Yale gilt gemeinhin als Eintritts-Ticket in den Club der Reichen.

«An diesen altehrwürdigen Bildungsinstituten klingenden Namen können sich Absolventen ein Netzwerk schaffen, das den späteren beruflichen Erfolg erleichtert», ist Ofelia Chiavacci überzeugt. Sie kennt Statistiken, die belegen, dass Absolventen von Harvard & Co. bereits beim ersten Job nach der Uni mehr verdienen, als solche von weniger bekannten Colleges. Es werden sogar Ranglisten erstellt, wie hoch der «return on investment» bei einzelnen Schulen ist.

Frau vor Gemälde mit drei Booten.
Legende: Die Ausbildung ihrer drei Kinder aufzugleisen, stand jahrelang im Zentrum von Ofelia Chiavaccis Leben. SRF/Matthias Kündig

«Wer will, dass sein Kind an einer Top-Ten-Uni studiert, muss dies langfristig planen», erklärt Chiavacci. «Wir haben uns bewusst für vorschulische Förderung an einer Pre-school entschieden. Und wir haben unsere drei Kinder bewusst auf Privatschulen geschickt, die Schülerinnen und Schüler optimal auf die College-Bewerbung vorbereiteten.»

Der Notendurchschnitt in der Highschool, das heisst von der 9. bis zur 12. Klasse ist ein entscheidender Faktor. Viele wohlhabende Eltern wie die Chiavaccis investieren deshalb viel Geld in den Nachhilfeunterricht.

Zusätzlich verlangen die meisten Colleges von den Bewerbern auch, dass sie mindestens einen der landesweiten, standardisierten Leistungstests (SAT, ACT) ablegen. Viele tun dies sogar mehrmals, um eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen. «Mein Sohn hat bereits ab der 10. Klasse in seiner Freizeit täglich bis zu zwanzig Minuten geübt für den SAT-Test», so Chiavacci.

Villa mit Palmen.
Legende: Das Anwesen der Familie Chiavacci in South Miami (Florida). SRF/Matthias Kündig

Sogar die Freizeit wird genaustens überwacht

Ambitionierte Eltern steuern aber auch die Freizeitaktivitäten ihrer Kinder. Denn die meisten Colleges wollen nicht nur intelligente und lernwillige Studenten, sondern auch interessante Menschen in ihren Schulen. Deshalb achten sie auf einen spannenden Lebenslauf. Und auch dieser wird von den Eltern minutiös geplant.

Ofelia Chiavacci hat ihre Kinder bereits ab der Mittelstufe dazu angehalten, in der Freizeit sinnvolle Hobbys zu pflegen. «Meine älteste Tochter trieb täglich Sport nach der Schule. Die Zweitgeborene schickte ich in den ausserschulischen Kunst-Unterricht und motivierte sie, an Kunstaktionen teilzunehmen. Und den Jüngsten, der sich schon früh für Politik interessierte, spornte ich dazu an, sich im Schülerrat zu engagieren. Er wurde schliesslich zum Schülerrats-Präsidenten gewählt.»

Zwei junge Frauen, ein junger Mann in der Mitte mit Hund auf dem Arm.
Legende: Schon ab der Mittelstufe wurde darauf geachtet, dass die drei Chiavacci-Kinder «sinnvolle» Hobbys pflegten. SRF/Matthias Kündig

Heute blickt Ofelia Chiavacci selbstkritisch auf diese Zeit zurück. «Wir haben unsere Kinder selbst bei Spielnachmittagen überwacht und gelenkt, haben kontrolliert, mit wem sie Umgang pflegen. Wir haben sie unterhalten, ihre Konflikte gelöst und Unheil von ihnen ferngehalten.»

In ihrer Kindheit sei das noch ganz anders gewesen: «Meine Eltern sagten jeweils nur: ‹Mach deine Hausaufgaben und komm rechtzeitig zum Abendessen.› Sie haben mich einfach machen lassen». Heute sei das komplett anders, und sie bedauere, dass viele Eltern ihre Kinder nicht mehr Kinder sein lassen.

All die Mühe – und dann die Enttäuschung?

Selbst die perfekteste Planung und der Einsatz von viel Geld und Zeit bieten aber keine Garantie, dass es klappt mit dem Studienplatz an einem Top-College. Das hat Ofelia Chiavacci bei ihrem jüngsten Sohn erlebt. «Er war immer ein Musterschüler, war Klassenbester und erreichte in Leistungstests immer super Resultate. Und auch sein Lebenslauf war mit 18 bereits beeindruckend. Trotzdem ist er von der Stanford University abgelehnt worden. Die Chancen, von einer Elite-Uni aufgenommen zu werden, stehen derzeit bei nur etwa fünf Prozent.

Eine wahre Goldgrube für private College-Berater

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Immer mehr angehende Studenten lassen sich im Bewerbungsprozess von privaten Beratern, sogenannten «college counselors», unterstützen. Im Jahr 2006 gab es von diesen rund 3000 in den USA. Zum Vergleich: 2018 waren es bereits 17'000 Berater (Quelle: Independent Educational Consultants Association). Für die Eltern ein kostspieliges Unterfangen: Viele dieser privaten Beratungsbüros verlangen ca. 250 USD pro Stunde. Ein «full package» umfasst meist 10 bis 12 Stunden.

Der Sohn von Ofelia Chiavacci bewarb sich daraufhin noch bei weiteren Colleges mit klingenden Namen. Nach einer Wartezeit von einem halben Jahr hat er es dann doch noch an eine Elite-Uni geschafft. Im letzten Jahr schloss er sein Studium an der Harvard-University ab. «Ich bin froh, dass ich den ganzen College-Stress hinter mir habe», sagt Chiavacci mit einem Seufzer der Erleichterung. Insgesamt zehn Jahre lang hat sie sich intensiv um die Ausbildung ihrer drei Kinder gekümmert.

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