Das Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un steht auf der Kippe: «Es könnte sein, dass es nicht klappt», sagte Trump am Dienstag. Zuvor hatte Kim bereits Zweifel geäussert.
Tatsächlich scheint beim Annäherungsprozess zwischen den USA und Nordkorea einiger Sand ins Getriebe geraten zu sein, wie der Journalist Martin Fritz in Tokio erläutert.
SRF News: Wie kommen Donald Trumps Äusserungen in Nordkorea an?
Martin Fritz: Direkte Reaktionen aus Pjöngjang gibt es noch keine. Doch man wird dort den Wink mit dem Zaunpfahl aus Washington schon verstehen: Zuerst hatte Kim gedroht, den Gipfel platzen zu lassen – jetzt tut es ihm Trump gleich und spielt den Ball so zurück nach Nordkorea. Damit der Gipfel am 12. Juni in Singapur tatsächlich stattfinden kann, müssen hinter den Kulissen noch einige sehr hochrangige Gespräche und Kontakte organisiert werden.
Derzeit ist die gesamte Führung Südkoreas zu Gesprächen in Washington. Wie reagiert diese Seite – sie hofft darauf, dass das Treffen zustande kommt – auf die neusten Äusserungen Trumps?
Bisher hat sich Südkoreas Präsident Moon Jae-in noch nicht dazu vernehmen lassen. Er weiss, dass in Washington ein gewisses Misstrauen gegenüber seiner Regierung herrscht.
In den USA herrscht der Eindruck, dass Nord- und Südkorea zusammen unter einer Decke stecken.
In der US-Presse wird etwa berichtet, dass Südkorea die Abrüstungsbereitschaft Nordkoreas übertrieben positiv dargestellt habe, damit Trump einem direkten Treffen mit Kim zustimmt. In den USA herrscht also der Eindruck, dass Nord- und Südkorea zusammen unter einer Decke stecken. Moon muss jetzt darauf achten, diesen negativen Eindruck zu korrigieren, um seinen Einfluss auf den Annäherungsprozess aufrecht zu erhalten.
Moon sieht sich als Vermittler zwischen den USA und Nordkorea, doch den Rückzieher Trumps in Sachen Gipfeltreffen konnte er nicht verhindern. Wie schwer ist dieser Rückschlag für ihn?
Er dürfte damit gerechnet haben, dass Trump in gleicher Manier pokern würde, wie das Kim tat. Auf dem Flug nach Washington sagte Moons Sicherheitsberater, der Gipfel zwischen Trump und Kim finde mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent statt. Trump hat das jetzt indirekt dementiert, während Moon auf dem Stuhl neben ihm sass. Der südkoreanische Präsident muss diese unangenehme Situation aushalten.
Ist das leichte Tauwetter zwischen den USA und Nordkorea also bereits wieder vorüber, bevor es richtig begonnen hat?
Moon weiss, dass es einen Gipfel zwischen Trump und Kim braucht, damit die innerkoreanische Annäherung weitergehen kann. Deshalb unterstützt er Trumps harten Kurs: Gespräche gegen mögliche Wirtschaftshilfe, wobei die Sanktionen möglichst lange beibehalten werden.
Der Gipfel muss vielleicht verschoben werden, weil die Zeit zur Vorbereitung nicht reicht.
Moon weiss, dass er zuallererst die Amerikaner braucht. Deshalb fokussiert er sein Werben für den Gipfel auf Washington und auf Trump.
Welche Rolle spielt das nordkoreanische Atomtestgelände, das Kim in diesen Tagen unter den Augen ausländischer Journalisten schliessen will?
Nordkorea will damit eine aus seiner Sicht wichtige Show für die Weltpresse veranstalten um zu zeigen, dass man zur Einstellung des Atomprogramms bereit ist. Pjöngjang liebt solche Propaganda-Gesten. So hat man vor zehn Jahren den Kühlturm eines Atomkraftwerks gesprengt um zu signalisieren, dass man kein Uran mehr anreichern will. Ob das Atomprogramm nach einem Platzen des Gipfels in Singapur aber wieder hochgefahren würde, bleibt offen. Das Pokerspiel zwischen Kim und Trump ist noch in vollem Gang. Falls der Gipfel abgesagt wird, würde hinter den Kulissen wohl über eine neue Annäherung verhandelt.
Wie muss man die derzeitigen Zeichen deuten: Wird die Begegnung zwischen Trump und Kim wie vorgesehen am 12. Juni in Singapur stattfinden?
Derzeit ist die Kommunikation zwischen Washington und Pjöngjang sicher gestört – und es bleiben nur noch drei Wochen bis zum Termin. Es wird wohl tatsächlich zu einem Gipfeltreffen kommen, aber es muss vielleicht verschoben werden, weil die Zeit zur Vorbereitung nicht reicht.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.