Der mutmassliche Attentäter, der mit einem Kleinlaster in Manhattan acht Menschen getötet hat, stammt aus Usbekistan. Er lebt seit zehn Jahren legal mit einer Green-Card in den USA. US-Präsident Trump will jetzt die Einreisekontrollen verschärfen und die Green-Card-Verlosung beenden. Aber bringt das überhaupt etwas? Fragen dazu an den Politologen Christian Lammert.
SRF News: Was war eigentlich die Idee hinter der Greencard-Lotterie?
Christian Lammert: Bei der Einführung in den 90er Jahren hat man noch versucht, Einwanderung aus Regionen zu fördern, die in den USA unterrepräsentiert waren. Man wollte eine grössere Vielfalt in der Immigration zu erreichen.
Wieso eine Lotterie?
Das wurde bereits damals kontrovers diskutiert. Man entschied dann aber, dass eine intensive Prüfung aller Bewerbungen nicht möglich sei und veranstaltete deswegen die Lotterie als ersten Auswahlprozess.
Trump verschiebt die Schuld auf die Greencard-Lotterie und täuscht Aktivitäten vor, die angeblich mehr Sicherheit verschaffen.
Hat die Lotterie den USA etwas gebracht?
Es kommt darauf an, mit welchen Kriterien man das misst. Die Leute mussten nachweisen, dass sie eine solide Berufsausbildung oder eine Hochschulausbildung hatten. Ansonsten wurden sie gar nicht zugelassen. Die Lotterien waren immer schon auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet und es gab keine grossen Probleme damit. Der Diskurs hat sich erst nach den Anschlägen vom 11. September gewandelt, so dass die Lotterie jetzt als Einfallstür für Terroristen gilt. Das ist problematisch: Der Usbeke, der für den neusten Anschlag verantwortlich ist, ist vor zehn Jahren in die USA eingewandert. Es gibt keine Indizien, dass er damals schon Terrorverbindungen hatte. Er hat sich in den USA radikalisiert. Eine Abschaffung dieses Teils des Einwanderungsgesetzes wird deshalb nicht viel bewirken.
Sie finden, dass Green-Card-Bewerber genügend überprüft werden?
Das ist ganz klar. Sie werden erstens auf ihren Bildungsstand geprüft, zweitens müssen sie Geburtsurkunden, Gerichtsdokumente, polizeiliches Führungszeugnis und Nachweise etwaiger militärischer Funktionen vorlegen, wenn sie in der Lotterie erfolgreich waren. Können sie diese Dokumente nicht vorlegen, werden sie ausgeschlossen. Drittens werden sie zu einem Interview vorgeladen, bei dem sie von mehreren Personen intensiv verhört werden. Einwandern dürfen sie erst dann. Das ist eine sehr strikte Überprüfung.
Der Usbeke, der für den neusten Anschlag verantwortlich ist, ist vor zehn Jahren in die USA eingewandert. Es gibt keine Indizien, dass er damals schon Terrorverbindungen hatte.
Trump sagt, die Demokraten seien verantwortlich für diese Visa-Politik. Der Vater der Verlosung war aber Ronald Reagan.
Genau, die Lotterie war Reagans Idee. Sie wurde dann zwar von Demokraten im Kongress eingebracht, aber auch George H. W. Bush hat das Gesetz 1990 unterzeichnet. Es gab einen grossen überparteilichen Konsens dazu. Dass der momentane Präsident alles nutzt, um seine eigene Basis zu füttern und seine Machtposition zu stabilisieren, wissen wir schon. Er schreckt dabei nicht vor Lügen zurück. Im Moment fährt er wieder diese Strategie: Er verschiebt die Schuld auf die Green-Card-Lotterie und täuscht Aktivitäten vor, die angeblich mehr Sicherheit verschaffen. Das ist aber überhaupt nicht der Fall.
Wird der Kongress dabei mitmachen?
Das ist sehr wahrscheinlich. Die Demokraten haben schon angedeutet, dass sie damit leben könnten, dass die Lotterie abgeschafft wird. Die Bedeutung der Lotterie ist nicht so gross. Die Politik kann hier zeigen, dass sie handelt. Das ist beim momentanen geringen Vertrauen, das die Bevölkerung der Regierung entgegenbringt, ziemlich gefragt.
Das Gespräch führte Simon Leu.