Die US-Regierung will einen Teil der Truppen abziehen, die in Deutschland stationiert sind. Präsident Donald Trump hat entsprechende Pläne bestätigt. Das zeigt: Das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA ist derzeit kompliziert. Komplizierter noch als zu Sowjetzeiten in den 1980er Jahren, sagt Carlo Masala, Professor an der Universität der Bundeswehr in München.
SRF News: Ist das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA tatsächlich so schlecht, wie es derzeit scheint?
Carlo Masala: Es ist auf einem seit 1945 historischen Tiefpunkt. Selbst in der Auseinandersetzung in den 1980er Jahren um den Olympia-Boykott, die russische Invasion in Afghanistan und den Erdgasröhren-Geschäften, die die Bundesrepublik mit der Sowjetunion gemacht hat, war das Verhältnis bei weitem nicht so schlecht, wie es unter Trump seit zwei, drei Jahren ist. Es ist grottenschlecht, wenn man es mal überspitzt auf den Punkt bringen will.
Trump hat kritisiert, Deutschland schulde der Nato Geld. Stimmt das?
Nein. Die Medienkonferenz, die Trump zur Begründung des US-Truppenabzugs aus Deutschland gegeben hat, war, wie man es von ihm gewohnt ist, voll mit Lügen. Deutschland schuldet der Nato kein Geld. Im Gegenteil. Deutschland hat beim letzten Nato-Gipfel zugestimmt, seinen Anteil am gemeinsamen Budget so weit zu erhöhen, dass Deutschland jetzt zusammen mit den USA der grösste Geldgeber der Nato ist.
Der deutsche Verteidigungshaushalt wurde seit 2014 und insbesondere letztes Jahr massiv erhöht.
Was Trump meint, ist, dass man 2008 – und 2014 bestätigte Angela Merkel dies – in der Nato eine Vereinbarung traf, wonach sich alle Staaten darum bemühen werden, innerhalb eines Jahrzehnts ihren Verteidigungshaushalt auf zwei Prozent gemessen am Bruttoinlandprodukt zu erhöhen. Berlin ist diesem Versprechen unter schwierigen Bedingungen nachgekommen.
Die Begründung von Trump war eine – ich sage es ganz direkt – Lüge.
Der deutsche Verteidigungshaushalt wurde seit 2014 und insbesondere letztes Jahr massiv erhöht. Er ist noch immer von zwei Prozent entfernt. Aber man sieht, dass Deutschland versucht, in die Nähe der zwei Prozent zu kommen. Gleichzeitig treffen die wenigsten Nato-Mitglieder diese Marke. Von daher war die Begründung von Trump eine – ich sage es ganz direkt – Lüge.
Wie sehr würde der Truppenabzug Deutschland treffen?
Marginal. Natürlich wird die regionale Wirtschaft um die Basen herum leiden, weil natürlich der Bäcker Brötchen liefert und so weiter. Aber letzten Endes ist das sicherheitspolitisch kein Problem für Deutschland. Diese US-Truppen sind ja nicht in Deutschland, um Deutschland zu schützen. Das war mal der Fall, als die Sowjetunion noch die grosse Bedrohung war. Das ist schon lange nicht mehr so.
Bei einer militärischen Intervention müssten die Soldaten von woanders her in die Operationsgebiete verlegt werden.
Die US-Truppen sind aus zwei Gründen in Deutschland: Der eine Grund ist, dass die USA ihre Basen in Deutschland nutzen für militärische Machtprojektionen in den Mittleren und Nahen Osten, in den Persischen Golf und nach Zentralasien. Bei der nächsten militärischen Intervention müssten die Soldaten von woanders her in die Operationsgebiete verlegt werden. Das wird die USA mehr kosten und ist logistisch schwieriger.
Der Abzug der Truppen schwächt also die Nato, und nicht Deutschland.
Und das bedeutet, dass die Bemühungen der Nato geschwächt werden, die russische Aggression gegenüber den baltischen Staaten aufzuhalten. Der Abzug der Truppen schwächt also die Nato, und nicht Deutschland als Staat. Von daher: Wenn Trump dies als Strafaktion gegen Deutschland ankündigt, stellt man fest, er hat den USA und ihren sicherheitspolitischen Interessen ins Knie geschossen. Er hat Deutschland nicht besonders geschädigt damit.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.