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International Tsipras ringt mit EU-Parlament

Im Schuldenstreit läuft Athen die Zeit davon. Regierungschef Alexis Tsipras scheute deshalb nicht den Gang vor das Europäische Parlament. Von der europäischen Linken gab es Rückendeckung. Zugleich hagelte es aber auch harsche Kritik.

Debatten im EU-Parlament standen bisher nicht im Ruf, sonderlich unterhaltsam zu sein. Doch für heute war das für einmal anders. Grund dafür war das Auftreten von Alexis Tsipras. Und der nun angeblich doch und tatsächlich letzte Versuch, Griechenland weiter im Euro zu halten.

Richtungsweisend für die Zukunft Europas sei die Debatte gewesen, sagt am Ende der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz. Einige EU-Abgeordnete hatten Tsipras zu Beginn mit Applaus begrüsst, andere mit Buhrufen. Eine Reihe von Parlamentariern, auch aus dem Block der rechtsradikalen Parteien, hatten Schilder mit dem griechischen Wort «Oxi» («Nein») auf ihre Tische gestellt.

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Vor dem EU-Parlament sichert Tsipras in seiner Rede erneut Reformen zu, wie etwa ein gerechteres Steuersystem. Wie viele Massnahmen er umsetzen will, die am Sonntag von über 60 Prozent der Griechen abgelehnt wurden, sagte er nicht.

Juncker wehrt sich gegen Kritik

Mit bebender Stimme wehrt sich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gegen frühere Vorwürfe aus Athen, dass seine Behörde Rentner und Arbeiter mit niedrigem Einkommen in Griechenland stärker belasten wollte.

«Ich wäre dankbar gewesen, wenn man alles gesagt hätte. Vieles wurde noch nicht gesagt», beklagt der Luxemburger, der als «ehrlicher Makler» Tsipras zu einem Kompromiss mit den Geldgebern hat führen wollen.

Rechte springen Tsipras bei

Tsipras selbst wird auch Zeuge merkwürdiger Allianzen im EU-Parlament: So wenden sich ausgerechnet der Vorsitzende der rechtspopulistischen Ukip-Partei aus Grossbritannien, Nigel Farage, sowie die Front-National-Parteichefin Marine Le Pen aus Frankreich mit scheinbar warmen Worten an den Anführer der linken Syriza-Partei. Beide legen Tsipras den Austritt aus der Euro-Zone ans Herz.

«Sie lieben die Spaltung Europas, wir den Kompromiss»

Tsipras umgebe sich mit falschen Freunden, kritisiert deshalb der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber. Auch sonst richtet der CSU-Politiker deutliche Worte an den Linkspolitiker, der in Athen mit einem rechtsgerichteten Koalitionspartner regiert.

«Sie lieben das Scheitern, wir den Erfolg. Sie lieben die Spaltung Europas, wir den Kompromiss», ruft Weber Tsipras zu. Zeitweise wird der EVP-Mann, Vorsitzender der grössten Fraktion im EU-Parlament, von anderen Abgeordneten nieder geschrien.

Sie lieben, Herr Tsipras, die Provokation, wir lieben den Kompromiss. Sie lieben das Scheitern und wir lieben den Erfolg.
Autor: Manfred Weber Fraktionschef der Volkspartei im Europaparlament, CSU Bayern

Zwar entspreche die Haltung Webers der Stimmung in den deutschen Medien, wo die Anti-Griechenland-Haltung stark vertreten sei, stellt SRF-Korrespondent Oliver Washington fest. Trotzdem überrasche es, dass ein Politiker mit solcher Verantwortung noch einen drauf gebe, statt die Wogen zu glätten.

Debatte mit reinigender Wirkung?

Gegen Ende der hitzigen Debatte hält einer einen flammenden Appell für den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone, der noch ein Europa erlebt hat,in dem die verschiedenen Völker nicht im gleichen Parlament miteinander streiten konnten: Manolis Glezos.

Der fast 93-jährige Veteran der Syriza-Partei im EU-Parlament und frühere Widerstandskämpfer gegen die Besatzung Griechenlands durch die Wehrmacht ruft zu einer gerechten Behandlung seines Landes auf.

Auch guter Wille spürbar

Laut Korrespondent Washington waren die meisten Wortmeldungen emotional, aber auch konstruktive Beiträge habe es gegeben. So etwa vom Chef der liberalen Fraktion, Guy Verhofstadt. Dieser stellte in einer engagierten und auch aufmunternden Rede unter anderem die Frage an Tsipras, ob er als Revolutionär und Erneuerer Griechenlands oder als Totengräber in die Geschichte eingehen wolle.

«80 Prozent Ihres Volkes wollen in Europa und in der Eurozone bleiben. Seien Sie also ein echter Leader und kein falscher Prophet», betonte Verhofstadt. Auch Sozialdemokraten und Grüne appellierten an Tsipras, seine Verantwortung wahrzunehmen.

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