Die Türkei hat seit Wochen bei den Corona-Zahlen nur noch die halbe Wahrheit gesagt. Am Mittwoch musste Gesundheitsminister Fahrettin Koca vor den Medien erklären, wie es zu den tiefen Zahlen in der Statistik kommt. Ärztevereinigung und Opposition sprechen von Manipulation – mit dem Ziel, das Ausmass der Epidemie zu verschleiern.
Der Trick
Es geht vor allem um den Unterschied zwischen «Patient» und «Fall», wie der Journalist Thomas Seibert in Istanbul erklärt: «Lange Zeit wurden alle positiv Getesteten mitgezählt, und dann plötzlich schaltete die Regierung um und zählte nur noch jene mit Symptomen.» Das habe die Zahlen natürlich insgesamt sehr gedrückt, was auch der international gebräuchlichen Zählweise klar widerspreche.
Lange Zeit wurden alle positiv Getesteten mitgezählt, und dann plötzlich schaltete die Regierung um.
So flog der Schwindel auf
Ein Oppositionspolitiker, der selbst Arzt ist, hatte sich Einblick in interne Unterlagen der Gesundheitsbehörden mit einer Zusammenfassung aller Laboruntersuchungen im Land verschafft. So stellte er am gewählten Stichtag vom 10. September fest, dass 29'000 Menschen positiv auf Corona getestet worden waren. Die offizielle Statistik hingegen sprach lediglich von 1509 Patienten an diesem Tag.
Die Rechtfertigung
Das erzeugte einen Aufschrei der Empörung. Koca musste reagieren und gab zu, dass nicht alle positiv getesteten Menschen mitgezählt werden würden. Er rechtfertigte das Vorgehen zum einen damit, dass nicht jeder Fall ein Patient sei. Die symptomfreien Corona-Betroffenen könne man getrost in der Statistik auslassen, werde doch das Gesundheitssystem durch diese Fälle nicht belastet. Zum anderen hielt der Gesundheitsminister fest, dass auch die Interessen des Staates geschützt werden müssten.
Alles wegen der Wirtschaft?
Ob die Manipulation wirtschaftliches Kalkül sei, lasse sich von aussen schwer beurteilen, sagt Seibert. Die Regierung arbeite nicht transparent. Für die Opposition hingegen sei klar: Die Regierung will so neue Zwangsmassnahmen für die angeschlagene Wirtschaft vermeiden, die möglicherweise unumgänglich würden, wenn die tatsächliche Anzahl der Fälle bekannt wäre.