Chaotisch, wüst und frustrierend: So lautete der Tenor nach der TV-Debatte zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Joe Biden. Nun standen sich ihre Stellvertreter Mike Pence und Kamala Harris gegenüber – und führten eine durchaus zivilisierte Debatte. Die aber ohne grosse Überraschungen auskam, so USA-Expertin Sarah Wagner.
SRF News: Haben Harris und Pence sachlicher und fairer gekämpft als die beiden Präsidentschaftskandidaten?
Sarah Wagner: Es war eine lange und interessante Nacht. Aber die Messlatte hing tief, wenn wir an das letzte Duell denken. Die Debatte zwischen Harris und Pence war traditionell. Relativ unaufgeregt und mit mehr Fokus auf Inhalte. Die Kandidaten haben die Fragen aber in erster Linie dazu genutzt, die eigenen Inhalte und Argumente vorzubringen. Das heisst, viele Fragen wurden gar nicht konkret beantwortet. Das war sehr frustrierend.
Grosse Überraschungen oder Momente, die den Kandidaten enorm helfen oder schaden könnten, gab es nicht.
Und doch brachten Pence und Harris zustande, was Biden und Trump nicht schafften: eine zivilisierte Debatte zu führen.
Absolut. Beide Kandidaten haben geliefert, was sie liefern mussten – vor allen Dingen für ihre Wählerbasis. Pence ist auch ein ganz anderer Politiker-Typ als Trump. Er ist sehr diszipliniert, gleichzeitig zeigte Pence seine Loyalität gegenüber Trump und der Administration sehr stark. Er liess sich auch kaum von direkten Angriffen aus der Ruhe bringen.
Zudem versuchte die Moderatorin, das Ganze einzuhegen. Was ihr aber nicht immer gelungen ist. Auch in dieser Debatte wurde die Redezeit oft überzogen. Die Moderatorin hat auch nicht nachgefragt, wenn problematische Inhalte geäussert wurden – oder auch dazu geschwiegen wurde. Konkret bei Pence, der sich nicht zu einem friedlichen Machttransfer im Falle einer Wahlniederlage bekennen wollte.
Wer hat sich aus Ihrer Sicht besser geschlagen: der amtierende Vizepräsident Pence oder seine Herausforderin Harris?
Beide Kandidaten haben gezeigt, was sie können. Viel wichtiger ist aber: Die parteipolitischen Gräben in den USA sind sehr tief. Das heisst auch, dass für die Demokraten die Gewinnerin ganz klar Harris ist, die Republikaner sehen Pence vorne. Laut Blitzumfragen von CNN konnte Harris ihre Zustimmungswerte steigern. Grosse Überraschungen oder Momente, die den Kandidaten enorm helfen oder schaden könnten, gab es aber nicht.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.