Die Bilder des heurigen «Grindadráps», des traditionelle Walfangs auf den Färöer-Inseln im Nordatlantik, lösen weitherum Empörung aus. Die Anzahl der getöteten Tiere, insbesondere der Delfine, übersteigt das normale Mass bei weitem, wie SRF-Nordeuropamitarbeiter Bruno Kaufmann sagt.
SRF News: Wieso wurden dieses Jahr so viele Delfine getötet?
Bruno Kaufmann: Das fragt man sich heute auf den Färöer-Inseln auch. Es ist am letzten Sonntag passiert, als der Ruf kam nach dieser grossen Herde von sogenannten Weissseitendelfinen, die in der Nähe der Hauptstadt Tórshavn gesichtet wurde.
Als das Abschlachten am Strand begann, hat man erst gemerkt, dass es sehr viele Tiere sind.
Man hat diese Herde mit den traditionellen Booten in einen Fjord hineingetrieben, in den grössten Fjord der Färöer. Als das Abschlachten am Strand begann, hat man erst gemerkt, dass es sehr viele Tiere sind, weitaus am meisten davon Delfine. Es waren viel mehr als im Normalfall, sonst sind es jeweils 50 bis 60 Tiere. Das hat die Färöer selbst geschockt. Doch alles ist gemäss den normalen Traditionen abgelaufen. Nun sind das Aufsehen und die Aufregung aber gross, auch weltweit.
Walfang ist eigentlich streng reglementiert. Warum jagen die Menschen auf den Färöern noch Wale und Delfine?
Diese jährliche Jagd Ende Sommer ist eine grosse Tradition. Sie hängt stark mit der Identität der Färöer zusammen. Sie verstehen sich selbst als Menschen, die sich das Essen selbst jagen. Sie sagen: «Diese Tiere kommen zu uns, wir suchen sie nicht draussen im Meer.» Wenn diese Herden in die Fjorde kommen, dann hat man das Gefühl, das sei ein Geschenk des Meeres. Es ist nicht eine Jagd mit einem kommerziellen Zweck. Das Tierfleisch wird an alle verteilt, die sich beteiligt haben. Jetzt, da so viele Tiere getötet wurden, gibt es viele, auch auf den Färöern, die dies infrage stellen.
Mit Traditionen kann man unterschiedlich umgehen. Welche Bedeutung hat dieser Jagd für die Menschen auf den Färöern?
Auf den Färöern ist man sehr auf die eigenen Traditionen bedacht. Es gibt 22 Buchten, also Fjorde, und in jedem Fjord gibt es einen Verein für die Grindwaljagd. Es gibt Jahre, wo es fast keine Herden gibt, die in die Fjorde kommen oder dort hineingetrieben werden.
Ganz offensichtlich hat wie hier vieles nicht so funktioniert, wie es eigentlich funktionieren sollte.
Es gibt auch Jahre, in denen viele kommen – und das war früher ein gutes Zeichen. Aber eine solche Zahl von Tieren wie heuer gab es noch nie. Das hat auch bei den Zuständigen selbst die Frage aufgeworfen, was falsch gelaufen sei. Jede Jagd muss von den Behörden bewilligt werden. Ganz offensichtlich hat hier vieles nicht so funktioniert, wie es eigentlich funktionieren sollte.
Zum Teil gibt es drastische Bilder von der Tötung. Wie gehen die Färöer damit um?
Die Bilder sind drastisch, weil die Tiere im Meer erlegt werden – dann verfärbt ihr Blut das Meer. Das ist schon seit Jahren für die Färöer ein Problem, auch in der Öffentlichkeit. Die Färöer sind ein weitgehend selbstständig verwaltetes Land, das zum dänischen Königreich gehört, aber eigene Regeln hat. Man hat hier schon vor Jahren eine Art PR-Kampagne gestartet, um zu zeigen, dass die Tiere, die erlegt werden, nicht gefährdet sind.
Der Vorsitzende der ganzen Jagd sagte, es ergebe überhaupt keinen Sinn, Hunderte von Tieren zu erlegen.
Normalerweise sind es Grindwale, sechs bis acht Meter gross. Jetzt sind es diese Weissseitendelfine. Es fällt auf, dass es dieses Jahr fast nur solche sind. Das hat dazu geführt, dass der Vorsitzende der ganzen Jagd gesagt hat, dass es so nicht weitergehen könne. Es ergebe überhaupt keinen Sinn, Hunderte von Tieren zu erlegen. «Das brauchen wir nicht», sagte er. Man müsse sich jetzt überlegen, wie man weiter damit umgehen wolle.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.