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Über 80 Menschen an Bord Pilot im Drogenrausch wollte Triebwerk abstellen

Am Wochenende hat in den USA ein Pilot versucht, während eines Fluges mit rund 80 Menschen an Bord die Triebwerke abzuschalten. Die Besatzung verhinderte es. Der Pilot war ausser Dienst, reiste aber im Cockpit mit.

Aus Gerichtsdokumenten geht hervor, dass er einen Nervenzusammenbruch erlitt, nachdem er psychedelische Pilze konsumiert hatte. Wie das möglich war, erklärt SRF-Aviatik-Experte Michael Weinmann.

Michael Weinmann

SRF-Inlandredaktor & Aviatikexperte

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Michael Weinmann ist seit 2009 für SRF tätig («Schweiz aktuell», SRF Sport). Er ist Aviatik- und Raumfahrtexperte und verfügt über eine Privatpilotenlizenz.

Wie konnte das passieren?

Grundsätzlich ist die Sicherheit im Flugzeug sehr wichtig, weil es nicht möglich ist, während des Fluges kurz rechts heranzufahren. Dabei ist das Cockpit der mit Abstand sensibelste Bereich. Früher durften die Kinder dort problemlos einen Blick hineinwerfen. Das ist heute – seit dem Terroranschlag in den USA am 11. September 2001 – nicht mehr möglich.

Wenn jemand im Cockpit sitzt und Böses vorhat, kann man nicht viel dagegen machen.
Autor: Michael Weinmann SRF-Aviatik-Experte

Aber wenn jemand im Cockpit sitzt und Böses vorhat, kann man nicht viel dagegen machen. Vom sogenannten Jumpseat – der mittlere Sitz hinter den beiden Piloten – können in Armlänge Knöpfe, Regler und Hebel bedient werden. Und wenn jemand im Cockpit sitzt, ist es schwierig, diese Person von ihrer Tat abzuhalten. Aber das war ein sehr seltener Einzelfall. Dieser Mensch hat völlig unerwartet unvernünftig gehandelt.

Darum geht es

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Ein Pilot der Alaska Airlines hat auf einem ausserdienstlichen Inlandsflug im Westen der USA versucht, die Triebwerke der Maschine abzuschalten, nachdem er eigenen Angaben zufolge psychoaktive Pilze eingenommen hatte. Berichten der «New York Times» und der «Washington Post» zufolge kämpft der 44-Jährige mit Depressionen und muss den kürzlichen Tod eines Freundes verarbeiten.

Vertreter der Fluggesellschaft berichteten demnach, der Mann habe am Sonntag mit im Cockpit gesessen und versucht, das Feuerlöschsystem des Flugzeugs zu aktivieren. Dieses hätte den Kraftstofffluss zu den Motoren gestoppt.

Der Flug wurde zum internationalen Flughafen Portland umgeleitet, wo der Pilot festgenommen wurde. Insgesamt waren neben dem Mann 83 Menschen an Bord. Ihm werden daher unter anderem versuchter Mord in 83 Fällen sowie fahrlässige Gefährdung vorgeworfen.

Die Medienberichte verweisen auf Justizdokumente, die am Dienstag veröffentlicht worden waren. Daraus geht hervor, dass der Mann vor dem Vorfall seit mehr als 40 Stunden nicht geschlafen und die «Magic Mushrooms» rund 48 Stunden vor dem Flug konsumiert hatte. Der Pilot sagte der Polizei, er habe geglaubt zu träumen und wollte aufwachen, als er im Cockpit nach einem Notfallsystem griff.

Sind die verschärften Sicherheitsvorkehrungen nach Absturz der Germanwings-Maschine noch gültig?

Was nach dem Absturz der Germanwings-Maschine 2015 angepasst wurde, ist der präventive Umgang mit psychischen Auffälligkeiten. In Europa und den USA wurden Weisungen herausgegeben, dass Fliegerärztinnen und -ärzte im Umgang mit psychischen Störungen nachgeschult werden. Seither müssen Pilotinnen und Piloten jedes Jahr auf psychische Probleme angesprochen und entsprechend untersucht werden.

Wie werden Piloten psychisch untersucht?

Einerseits sind das Fragebogen. Pilotinnen und Piloten werden vor allem in der eineinhalbjährigen Ausbildung intensiv psychisch begutachtet, damit nur jene im Kader landen, die für das Cockpit geeignet sind. Aber eine Überprüfung vor einem Flug gibt es nicht. Die Crews setzen sehr stark auf Selbstverantwortung.

Wie blieb seine Depression unbemerkt?

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Beim Fall Germanwings hatte der Pilot auch schon länger psychische Probleme. Damals ging er von Ärztin zu Arzt, von Psychiaterinnen zu Psychiatern, welche voneinander nichts wussten. Im jüngsten Fall weiss man nicht, ob der Pilot überhaupt Hilfe geholt hat. Unabhängig davon ist eine Depression wohl auch nicht unbedingt sichtbar.

Es gibt aber auch Fälle von Piloten, die betrunken fliegen wollten. Dann muss die Crew den Piloten daran hindern. Dieses «fit to fly» (fit, um zu fliegen) hat also sehr viel mit Eigenkontrolle und Kontrolle innerhalb der Gruppe zu tun.

Weshalb wurde sein Rauschzustand nicht erkannt?

Das habe ich mich auch gefragt. Es stellt sich die Frage, wie der Pilot ausschaute und wirkte, als er den Flieger bestiegen hatte. Entscheidend war, dass er nicht der fliegende Pilot war. Denn wenn ein Arbeitskollege im Cockpit mitfliegt, sind die Alarmglocken bei der Crew weniger sensibel als beim fliegenden Personal. Wenn dieser zum Beispiel sehr müde ist, ist das nicht weiter schlimm, weil er ja nicht das Flugzeug lenken muss. Aber dass ein Arbeitskollege die Triebwerke ausschalten wollte, hat wohl niemand kommen sehen.

Lassen sich solche Fälle verhindern?

Nein. Ein Restrisiko bleibt immer. Aber das gilt auch für Lokführerinnen, Busfahrer und Tramführer. Das Flugzeug ist immer noch das sicherste Verkehrsmittel. Man kann also immer noch sehr beruhigt in ein Flugzeug steigen. Aber dass Menschen Verrücktes machen, kann leider überall passieren – auch im Flugzeug.

Eine Möglichkeit, solche Fälle zu verhindern, wäre, dass ausser den zwei Pilotinnen und Piloten niemand mehr ins Cockpit hereingelassen wird. Aber dann dürfte die Crew ihnen konsequenterweise auch das Essen nicht bringen. Es geht also auch um die Verhältnismässigkeit.

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SRF 4 News, 26.10.2023, 7:18 Uhr ; 

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