In vielen Landesteilen blockieren zornige Menschen die Strassen. Die Wut richtet sich gegen das Wahlgericht, das Präsident Evo Morales diese Woche die Kandidatur erlaubte. Die bürgerliche Opposition, aber auch die katholische Kirche reagierten harsch auf dieses Urteil; die Bischofskonferenz sprach von Gefälligkeitsjustiz.
Auch viele Bürgerinnen und Bürger haben von den Methoden des Präsidenten genug. Ein junger Mann fasst es so zusammen: «Erstens verbietet die Verfassung mehr als zwei Mandate, zweitens ist es respektlos gegenüber dem Volk.»
Morales hatte die Bolivianer vor zwei Jahren zu einem Referendum über seine erneute Kandidatur einberufen und die Volksabstimmung knapp verloren. Das oberste Gericht setzte sich später über die Verfassungsbestimmungen und die Amtszeitbeschränkung hinweg und argumentierte, sie schmälerten die Menschenrechte des Präsidenten.
Der indigene Morales regiert in Bolivien seit 2006. Wird er 2019 wiedergewählt, so steuert er auf eine Amtszeit von 19 Jahren zu.
Grosse Machtfülle des Präsidenten
Der linke Präsident Boliviens hat eine grosse Machtfülle. Im Parlament verfügt seine Bewegung zum Sozialismus über zwei Drittel der Mandate. Die Justiz hat Evo Morales mit Vertrauensleuten besetzt. Es gibt viel Intransparenz im politischen Betrieb.
Vielen bereitet die Annäherung Boliviens an China Sorgen, insbesondere die wachsende Staatsverschuldung. Die Boomzeiten mit hohen Rohstoffpreisen haben sich verflüchtigt. Bis jetzt hat Morales gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit keine Rezepte. Die Erdgaslieferungen nach Argentinien und Brasilien gehen ab 2019 drastisch zurück und damit die Deviseneinnahmen.
Anderseits hat Evo Morales eine staatliche Lithium-Industrie entwickelt. Mit einem deutschen Partner will Bolivien in Zukunft Batterien für Elektrofahrzeuge herstellen. Doch es wird kompliziert werden für Evo Morales – vor allem in der Politik, wo der Präsident mit seinen Ambitionen selber für Missmut sorgt.