Wenn Antoninia Żabiński auf dem Klavier Offenbach spielte, löste das in der Direktorenvilla in Warschau Panik aus. Offenbach hiess: Die Nazis sind da. Im Keller, dort wo früher Tierfutter gelagert wurde, versteckten die Żabińskis Juden.
Olga Swonikowska, die Besuchern heute die Villa zeigt, steht im dunklen Keller. Sie zeigt auf ein kaum schulterbreites Loch in der Wand. «Bis zu 30 Menschen mussten einer nach dem anderen durch diesen zwölf Meter langen Tunnel in den Garten kriechen. Alte, Kinder, Kranke.» Immer im Wissen: Ein falsches Geräusch, und die Nazis bringen alle um.
Solange die Nazis da waren, versteckten sich die Flüchtenden in leeren Tierkäfigen. Die meisten Zootiere waren bereits im September 1939 beim ersten deutschen Bombardement von Warschau umgekommen.
300 Juden retteten die Żabińskis. Einige versteckten sie über Jahre, andere nur ein paar Tage, bis sie gefälschte Papiere hatten und weiter konnten. Möglich war das alles nur, weil der Zoo geschlossen war. Jan Żabiński hatte den Nazis angeboten, für sie auf dem Zoogelände Schweine zu züchten.
Das verschaffte ihm Zugang zum Warschauer Ghetto. Er sammelte dort Abfall als Futter für seine Schweine – und schmuggelte Juden heraus. Die Schweinefarm und ein Gemüsegarten halfen zudem, ein grosses Problem zu lösen: Wie beschafft eine dreiköpfige Familie in Kriegszeiten Essen für 30 Personen – ohne aufzufallen?
Żabiński hatte den Warschauer Zoo mitbegründet. Die Nazi-Besatzer ernannten ihn zum Chef über alle städtischen Parkanlagen. Was gab diesem Mann und seiner Frau den Mut, ihr Leben und das ihres Sohnes aufs Spiel zu setzen? «Er sagte, er habe diesen Leuten geholfen, weil sie Hilfe brauchten. Punkt», so Swonikowska.
1944 half Żabiński auch beim Warschauer Aufstand gegen die Nazi-Besatzer. Er baute Bomben und kam in deutsche Kriegsgefangenschaft. Żabiński überlebte. Baute nach dem Krieg den zerstörten Zoo wieder auf. Doch er überwarf sich mit den inzwischen regierenden Kommunisten. Er wurde gefeuert, durfte «seinen» Zoo nie mehr betreten.
Für die Rettung der Juden wurden die Żabińskis in Israel geehrt, im kommunistischen Polen aber vergessen. «Als Żabiński vor gut 40 Jahren starb, sprach niemand über ihn. Erst heute werden Leute wie er und seine Frau wieder als Helden gefeiert», sagt Swonikowska.
Die Überlebenden aus dem Keller der Zoovilla erinnerten sich vor allem an Antonina Żabiński. Sie sei hier die ganz grosse Heldin gewesen, sie habe die Nazi-Kontrolleure ausgetrickst. Waren die Nazis wieder weg, konnten die versteckten Juden also wieder zurück in den Keller, dann spielte sie erneut Klavier – Musik von Chopin, dem berühmtesten polnischen Komponisten.