Der Süden Brasiliens wird seit Wochen von heftigen Regenfällen heimgesucht. Schon im April kamen bei Rekordüberschwemmungen über 160 Menschen ums Leben, rund 600'000 verloren ihr Zuhause und sind in Notunterkünften untergebracht. Die ARD-Journalistin Anne Herrberg berichtet, wie die Lage zurzeit ist.
SRF News: Ist ein Ende dieser extremen Regenperiode in Sicht?
Anne Herrberg: Nach wie vor ist die Situation in Rio Grande do Sul sehr angespannt. Nach wie vor stehen weite Teile des Bundesstaates unter Wasser, und es stehen auch noch Teile der Hauptstadt Porto Alegre unter Wasser. Die Temperaturen sind zudem stark eingebrochen. Fast 600'000 Menschen harren immer noch in Notunterkünften aus.
Auch diese Klimakatastrophe hat vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten stärker getroffen.
Es geht um ein Gebiet, das fast so gross ist wie Italien. Das Ausmass der Zerstörung wird mit dem von Hurrikan Katrina verglichen. Was sind die Folgen?
Viele Strassen sind zerstört. Es wird daran gearbeitet, die Transportwege wiederherzustellen, weil sie auch für Hilfslieferungen benötigt werden. Aber beispielsweise der Flughafen von Porto Alegre ist wahrscheinlich bis September nicht im Einsatz. Wir haben weiter viele Viertel, die komplett zerstört worden sind.
Das ganze Ausmass kommt erst nach und nach ans Licht, weil man ja gar keinen Zugang zu abgelegenen Orten hatte. Viele Holzhäuser wurden total zerstört, und das waren die Häuser der eher armen Menschen. Das heisst, auch diese Klimakatastrophe hat vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten stärker getroffen.
Dazu haben wir eine grosse Beeinträchtigung der Landwirtschaft, des Reisanbaus. Innerhalb des Bundesstaates gab es starke Erdrutsche, die beispielsweise viele Weinbauern getroffen haben.
Das Hochwasser war bereits das vierte innerhalb eines Jahres. Gibt es Gründe für diese Häufung?
Wir haben in diesem Jahr mit dem Klimaphänomen El Niño in ganz Brasilien Extremwetter gehabt. Das heisst: Eine extreme Dürre am Amazonas und Extremtemperaturen in Rio de Janeiro von gefühlt über 60 Grad. Und nun haben wir diese extremen Regenfälle, verbunden mit Winden im Süden von Brasilien. Alle Klimaexperten, mit denen ich gesprochen habe, sagen, es sei auf den Klimawandel zurückzuführen, dass sich solche Klimaphänomene intensivieren.
Dass es einen Zusammenhang mit der Abholzung gibt, davon gehen Klimaexperten aus.
Auf der anderen Seite gibt es eben auch Kritik: Es sei nicht nur das Klima, es seien eben auch die fehlenden Vorbereitungen gewesen. Kritisiert wird auch ganz allgemein: Während hier dieses Hochwasser stattfindet, würden im Kongress Gesetze verabschiedet, die die Abholzung weiter vorantreiben. Dass es einen Zusammenhang mit der Abholzung gibt, davon gehen Klimaexperten aus.
Es gibt klare Forderungen, endlich umzudenken, denn dies werde die neue Normalität.
Der Hochwasserschutz wurde vernachlässigt. Haben diese Überschwemmungen nun politische Konsequenzen?
Das hoffen viele. Andererseits wurden, wie erwähnt, auch während dieser Katastrophe im Kongress nochmal Gesetze verabschiedet, die den Umweltschutz schwächen. Es gibt klare Forderungen, endlich umzudenken, denn dies werde die neue Normalität. Zum Hochwasserschutz: Teilweise waren einfach Schleusen in der Stadt kaputt. Sickerflächen wurden aus wirtschaftlichen Interessen zugebaut.
Es gibt jetzt Initiativen, in den Kongress unter Dringlichkeit ein Gesetzesvorhaben einzubringen, dass Opfer von Klimakatastrophen als solche anerkannt werden und dass ihnen schnell geholfen werden kann. Doch, was man konkret machen will, dazu gibt es keine Informationen.
Das Gespräch führte Radka Laubacher.