Der Maribyrnong rauscht durch die australische Stadt Melbourne, braun und schmutzig. Normalerweise ein friedliches Gewässer, an dessen Ufer sich Angler und Joggerinnen tummeln, hat der Fluss schon vor Tagen sein Bett verlassen und frisst alles, was sich ihm in den Weg stellt. Häuser stehen tief im Wasser. Autos sind bis zum Dach überschwemmt.
Melbourne ist nur einer von Dutzenden von Krisenherden im Südosten von Australien. Weite Teile des Bundesstaates Victoria sind von Überschwemmungen betroffen, genauso wie die Insel Tasmanien und das Bundesland New South Wales. In der Stadt Dubbo steht Steven Butcher vor einer Landschaft, die mehr einem Seengebiet gleicht als dem Park, in dem normalerweise Kinder spielen.
Er könne kaum glauben, was er sehe, sagt er im Fernsehen. «Der Schaden, den diese Überschwemmungen anrichten werden, an Strassen und anderer Infrastruktur, werde ungeheure Kosten für die Allgemeinheit verursachen. Und das so kurz nach der Covid-Pandemie.»
Hohe Luftdruckunterschiede führen zu La Niña
La Niña heisst das Wetterphänomen, das Expertinnen und Experten für die starken Niederschläge und Fluten verantwortlich machen – «Mädchen» auf Spanisch. So harmlos der Name, so wild und zerstörerisch ist das Wetter.
Überdurchschnittlich hohe Luftdruckunterschiede über dem Pazifik führen in Kombination mit anderen meteorologischen Veränderungen zu stärkeren Niederschlägen. Das Gegenstück ist El Niño. Eine Phase der Trockenheit, ein Mangel an Regen.
Australien durchlebe nun schon zum dritten Mal nacheinander eine La Niña -Phase, erklärt Nandini Ramesh von der australischen Organisation der Wissenschaften. Wenn man in einem Jahr La Niña habe, könne das die Seen und Tümpel füllen. Wenn sich die Situation im nächsten Jahr aber wiederhole, brauche es deutlich weniger Regen, bis es zu Überschwemmungen komme.
Aufräumarbeiten noch nicht beendet
Und jetzt kommt La Niña ein drittes Jahr. Das sei, wie wenn man aus drei Wasserhähnen gleichzeitig eine Badewanne füllen wolle, die schon bis zum Rand voll sei, meinte jüngst ein Experte. Erst im März waren im Bundesstaat New South Wales Gebiete grossflächig überschwemmt worden. Dort waren die Aufräumarbeiten noch immer im Gange, als die nächsten Regenfälle begannen.
Doch es ist nicht nur La Niña. Forscher warnen seit Jahren, solche Überschwemmungen, aber auch zerstörerische Waldbrände, würden wegen der globalen Erwärmung künftig noch stärker, noch zerstörerischer. Der Katastrophenzustand werde zum Normalzustand.
Kühlschränke standen tagelang unter Wasser
Über solches nachzudenken, dafür hat im Moment aber kaum jemand Zeit. Denn wenn sich das Wasser endlich zurückzieht, bleibt für so viele nichts übrig als totale Zerstörung. Ungläubig waten die Menschen durch die verschlammten Überreste ihrer Existenz. Sie tragen Kühlschränke und Möbel zur Entsorgung vor ihre Häuser, in denen tagelang tief das Wasser gestanden hatte. Viele werden kaum noch bewohnbar sein.
Unterversicherung ist ein endemisches Problem in Australien, lässt Tausende nur mit dem zurück, was sie in der Eile noch retten konnten, als das Wasser unter der Haustüre durchzusickern begann. Es sind die Pässe und ein paar Fotoalben vielleicht, oder nicht einmal das.