SRF News: Wie wichtig sind die Auslandsüberweisungen nach Somalia für das Land?
Patrik Wülser: Diese Zahlungen sind eigentlich das Rückgrat der Wirtschaft in Somalia. Hunderttausende von Familien sind auf diese Kleinstbeträge angewiesen, die aus dem Ausland kommen. In der Summe ist das recht gross. Man rechnet mit 1,3 Milliarden, die so pro Jahr ins Land fliessen und von denen Dreiviertel der Bevölkerung profitiert.
Ist Geld überhaupt sinnvoll? Bräuchte es nicht eher Lebensmittel oder Geräte wie beispielsweise Wasserpumpen?
Natürlich braucht es eine technische Infrastruktur, aber mit Geld überlebt man im Alltag. Nahrung gibt es sehr oft in solchen Ländern auf dem Markt, aber es fehlt das Geld, um diese Nahrung zu kaufen. Mit Geld kann man aber auch die Schule oder Spitalrechnungen begleichen.
Wie funktionieren solche Überweisungen? Kommt das Geld auch an?
Ja, da herrscht ein grosses Vertrauen. Es gibt Kleinstbanken und es gibt Western Union, eine Überweisungsfirma, die global agiert. Aber ich erlebe in Afrika auch, dass das Geld, wie in meinem Gastland Kenia, Richtung Somalia Busfahrern oder Piloten mitgegeben wird. Denen vertraut man, dass das Geld ankommen wird – und das funktioniert auch. Denn da hat man einen Ruf zu verlieren.
Nicht alle Leute haben solche Geldrückzahler im Ausland. Gibt es da eine Zweiklassengesellschaft? Die einen bekommen Geld, die anderen nicht?
Der Begriff Familie ist in Afrika etwas anders definiert als hier. Mit diesem Geld wird nicht einfach die Mutter, der Vater oder der Bruder unterstützt, denn die Familie ist in Afrika immer sehr weitläufig. Und wenn eine Familie Geld bekommt, dann profitieren meist Dutzende von Menschen davon. Cousins und weitere Verwandte. Und wenn man Geld bekommt kann man das in dieser Gesellschaft auch schlecht verstecken. Es gehört dazu, dass man teilt und das ist auch teilweise eine Bürde in Afrika.