- Nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste setzt Russland seinen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine in hohem Tempo fort.
- Es könne davon ausgegangen werden, dass mittlerweile 112'000 bis 120'000 Soldaten im Gebiet seien, sagte ein ranghoher Nachrichtendienstvertreter der Deutschen Presseagentur.
- Nicht mit eingerechnet seien die bewaffneten Kräfte der von Russland kontrollierten Separatisten im Donbass. Sie werden auf rund 35'000 beziffert.
Zur Frage, wie viele weitere russische Soldaten sich derzeit noch im Anmarsch befinden, wollte sich der Geheimdienstler nicht konkret äussern. Er betonte allerdings, dass sich die Stärke der russischen Truppe im Grenzgebiet zur Ukraine in den kommenden Wochen noch einmal deutlich erhöhen könnte. Alle Zeichen deuteten darauf hin, dass der Aufmarsch weiter gehen werde, sagte er.
Kreml sieht wenige Gründe für Optimismus
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Der Kreml hat verhalten auf die Antworten von Nato und USA auf russische Forderungen nach Sicherheitsgarantien reagiert.
«Sie haben gestern die Erklärungen des US-Aussenministers und des Nato-Generalsekretärs gehört, in denen sie absolut unmissverständlich über die Ablehnung grundlegender Anliegen sprachen, die Russland geäussert hatte», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge. «Auf dieser Grundlage gibt es nicht so viele Gründe für Optimismus. Ich würde aber nach wie vor von irgendwelchen konzeptionellen Bewertungen absehen.» Präsident Wladimir Putin habe das US-Schreiben bereits gelesen.
Wann genau Moskau auf die Dokumente antworten werde, liess Peskow zunächst offen. «Natürlich braucht es einige Zeit, um sie zu analysieren.»
Aussenminister Sergej Lawrow sagte mit Blick auf die US-Antwort: «Es gibt darin eine Reaktion, die es uns ermöglicht, mit dem Beginn eines ernsthaften Gesprächs zu rechnen, aber über zweitrangige Fragen. Es gibt keine positive Reaktion auf das Hauptthema in diesem Dokument.»
Russland werde den USA und allen westlichen OSZE-Staaten demnächst eine offizielle Anfrage schicken, weshalb sie Sicherheitsverpflichtungen ignorierten, kündigte Lawrow an. Es gab bereits Gespräche zwischen Russland und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Die Nato und die USA hatten am Mittwoch jeweils schriftlich auf Forderungen Moskaus nach Garantien für die Sicherheit in Europa geantwortet. Bei der russischen Forderung nach Zusagen für ein Ende der Nato-Osterweiterung zeigten weder die Nato noch die USA Verhandlungsbereitschaft.
Konkret wird unter anderem für wahrscheinlich gehalten, dass die derzeit auf rund 60 geschätzte Zahl der taktischen Bataillonsgruppen (BTG) weiter wächst. So werden hochflexible und schnelle Kampftruppen mit 600 bis 1000 Soldaten genannt.
Taktik Russlands?
Die Nato-Staaten und zahlreiche andere Länder kritisieren den Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine seit Wochen. Geheimdienstler befürchten einen russischen Einmarsch ins Nachbarland.
China mahnt zu Zurückhaltung
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Im Konflikt um die Ukraine müssen aus chinesischer Sicht die legitimen Besorgnisse Russlands um seine Sicherheit «ernst genommen und gelöst» werden. In einem Telefonat mit US-Aussenminister Antony Blinken mahnte Chinas Aussenminister Wang Yi alle Parteien, zurückhaltend zu sein, wie das Aussenministerium in Peking am Donnerstag berichtete. Es müsse davon abgesehen werden, die Spannungen zu verschärfen oder zu spekulieren, um die Krise zu übertreiben.
Für eine Lösung des Ukraine-Konflikts sei es notwendig, zum Anfang des Abkommens von Minsk zurückzukehren, sagte Wang Yi. China unterstütze alle Bemühungen, die in diese Richtung gehen.
Blinken habe die Bedrohung für die globale Sicherheit und die wirtschaftlichen Risiken hervorgehoben, die sich aus einer russischen Aggression ergeben könnten, teilte das Aussenministerium in Washington mit. Zudem habe der Minister betont, dass Deeskalation und Diplomatie der verantwortungsvolle Weg zur Lösung des Konflikts sei.
Für denkbar wird aber auch gehalten, dass der Aufmarsch vor allem ein Druckmittel sein soll, um die Nato-Staaten dazu zu bringen, russische Vorschläge für neue Sicherheitsvereinbarungen zu akzeptieren.
So will Moskau, dass die Nato eine Aufnahme von Ländern wie der Ukraine ausschliesst und den Rückzug von Streitkräften aus östlichen Bündnisstaaten einleitet. Die Bündnisstaaten halten das für inakzeptabel.
SRF 4 News, 27.01.2022, 05:00 Uhr
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dpa/blac;sibl