Am Platz der Unabhängigkeit in Kiew – dem Maidan – stehen Gruppen von Menschen vor einem riesigen Flaggenmeer: Jedes Fähnchen steht für einen Gefallenen. Es sind wohl Tausende. Auch der 28-jährige Maxim ist hierhergekommen.
Die Russen verfügten einfach über mehr Waffen als wir.
Er ist selber Soldat, hat aber Urlaub wegen einer Verletzung. Die Lage an der Front sei sehr schwierig, sagt er. Es gebe ständig Angriffe aus der Luft, vor allem durch Drohnen. Zudem gebe es zu wenig Munition. «Die Russen verfügen einfach über mehr Waffen», stellt Maxim fest.
Zu den Wahlen in den USA hat er eine klare Meinung: «Sie sind für die Ukraine völlig unwichtig.» Die USA wollten der Ukraine gar nicht ernsthaft helfen.
Washington sitze auf enormen Mengen an Waffen, zum Teil ausrangierten, die sie schon lange der Ukraine hätten geben können. «In dem Fall hätten wir den Krieg bereits gewonnen.»
Hoffen auf vernünftige Republikaner
Dezidiert anders sieht man die US-Wahlen bei der Führung des Landes. Sie hat in den letzten Wochen und Monaten viel Energie in persönliche Kontakte in Washington gesteckt. Präsident Wolodimir Selenski hat sich im September sowohl mit Donald Trump als auch mit Kamala Harris getroffen.
Wir erklären, warum man nicht zulassen darf, dass das Recht des Stärkeren obsiegt.
Es gebe in den USA eine parteiübergreifende Unterstützung für die Ukraine, sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten, sagt Selenskis Berater Mychailo Podoljak. Darauf weise man in den Gesprächen hin.
«Wir können keine Forderungen stellen, aber wir können erklären, dass nicht nur die Ukraine viel riskiert, wenn Russland diesen Krieg nicht verliert, sondern auch die USA und vor allem Europa», betont Podoljak.
Und weiter: «Und wir erklären, warum man nicht zulassen darf, dass das Recht des Stärkeren obsiegt und das Völkerrecht aufhört zu existieren.»
Trump allerdings hat versprochen, den Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden. Eine Aussage, die Podoljak in erster Linie als Wahlkampfrhetorik versteht. In diesem Krieg gebe es keine schnelle Lösung. Denn Russland sei kein Staat, der Verträge einhalte, es sei ein autoritärer Staat, der nicht ohne Krieg existieren könne.
Russland kann sich den Platz am Tisch der weltweit Mächtigsten nur durch Krieg sichern – denn ansonsten hat es nichts zu bieten.
«Russland braucht den Krieg, sei es im Innern, sei es gegen aussen – es kann sich den Platz am Tisch der weltweit Mächtigsten lediglich durch die Anwendung von Gewalt sichern, denn ansonsten hat es nichts zu bieten», so Selenskis Berater.
Kosten für Moskau in die Höhe treiben
Und er fügt an: Wenn man die Ursachen der russischen Aggression verstehe, sich das Ausmass der russischen Verbrechen vor Augen halte und immer noch davon rede, den Krieg innerhalb von 24 Stunden auf Kosten der Ukraine zu beenden, dann müsse man offen benennen, was Sache sei.
«Dann geht es nicht um die Beendigung des Krieges, sondern darum, dass man zuschauen möchte, wie die russische Föderation die ukrainische Bevölkerung ermordet», sagt Podoljak. Und dazu sei wohl kein Präsident der Vereinigten Staaten bereit.
Russland könnte Kraft schöpfen und noch mehr Waffen anhäufen – und dann wird es uns nicht wie 2022 noch einmal gelingen, sie aufzuhalten.
Der einzige Weg zur Beendigung dieses Krieges bestehe darin, die Kosten für Russland, diesen Krieg zu führen, in die Höhe zu treiben. Die Vorstellung hingegen, dass die Ukraine im Tausch gegen Land an einen Aggressor, der seine Kriegsziele noch nicht erreicht hat, echte Sicherheit erhalte, sei eine Illusion, so der Berater der ukrainischen Regierung.
Das sieht auch der verletzte Soldat Maxim so: «Ein solcher Waffenstillstand würde lediglich heissen, dass Russland Kraft schöpfen und noch mehr Waffen anhäufen kann. Und dann wird es uns nicht wie 2022 noch einmal gelingen, sie aufzuhalten.»