- Die für Dienstagabend geplante Abstimmung im Unterhaus über das Brexit-Abkommen mit der EU wird verschoben.
- Dies sagte die britische Premierministerin vor den Abgeordneten im Parlament und bestätigte damit entsprechende Medienberichte.
- «Das Abkommen wäre mit einer beträchtlichen Mehrheit abgelehnt worden», begründete Theresa May die Verschiebung des Votums.
- Zentraler Knackpunkt bleibt die Nordirland-Frage.
Wann die Abstimmung stattdessen abgehalten wird, ist unklar. Fest steht: Die britische Premierministerin strebt Nachverhandlungen mit der EU über das Brexit-Abkommen an. Denn speziell gegen den sogenannten Backstop zeichnet sich heftiger Widerstand im Parlament ab.
Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit wieder Grenzkontrollen eingeführt werden. In diesem Fall würde ein Wiederaufflammen des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion befürchtet.
Sie werde ihren EU-Kollegen die «klaren Bedenken» des Unterhauses vortragen und «weitere Zusicherungen» aus Brüssel verlangen, sagte Theresa May.
Das Vorhaben wird schwierig - so oder so: Die EU-Kommission lehnt Nachverhandlungen des Brexit-Vertrags mit Grossbritannien nämlich nach wie vor kategorisch ab. «Dieser Deal ist der beste Deal und der einzige mögliche Deal», bekräftigte eine EU-Kommissionssprecherin in Brüssel. «Wir werden die Vereinbarung, die jetzt auf dem Tisch liegt, nicht nachverhandeln.» Die EU-Kommission gehe davon aus, dass Grossbritannien die EU wie angekündigt am 29. März verlassen werde.
Etwa 100 der 315 Abgeordneten aus Mays Konservativer Partei hatten angekündigt, das vorliegende Brexit-Abkommen nicht zu unterstützen. Viele von ihnen fürchten eine zu starke Bindung an die EU. Auch die nordirische DUP, auf deren zehn Stimmen Mays Regierung im Parlament angewiesen ist, kündigte Widerstand an. Sie lehnt Sonderregelungen für Nordirland ab. Von der Opposition darf sich May ebenfalls keine Unterstützung erhoffen. May braucht mindestens 320 Ja-Stimmen, um den Deal sicher durch das Parlament zu bringen.
Sturgeon: «Erbärmliche Feigheit»
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon bezeichnete die Entscheidung, die Abstimmung zu verschieben, als «erbärmliche Feigheit». Die konservative Regierungspartei stelle damit ihre eigenen Interessen über die des Landes, so Sturgeon. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, forderte May auf, entweder beim Abkommen nachzuverhandeln oder eine Neuwahl auszurufen. «Wir haben keine funktionierende Regierung», sagte Corbyn laut einer Mitteilung.
Neben Nachverhandlungen mit Brüssel fordern einige Kritiker von Mays Brexit-Abkommen im Parlament auch ein zweites Brexit-Referendum. Beim ersten Referendum 2016 hatte sich nur eine knappe Mehrheit der Briten für die Loslösung von der Europäischen Union ausgesprochen. Unklar ist aber, welche Fragen den Briten dann vorgelegt werden könnten.
Ein Rückzieher vom Brexit ist zumindest theoretisch möglich. Die Schwelle dafür ist niedriger als gedacht, wie aus einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg hervorgeht. Grossbritannien könnte demnach den Brexit einseitig und ohne Zustimmung anderer EU-Länder stoppen.