Die meisten Länder in Europa haben im Kampf gegen das Coronavirus mittlerweile strikte Ausgehbeschränkungen beschlossen. Nicht so Schweden, auch wenn einschlägige Ratschläge wie Abstand halten und Händewaschen sowie der Schutz der Risikogruppen propagiert werden.
Doch Vor- und Grundschulen sind weiterhin offen, Anlässe sind erst ab einer Grösse von 499 Personen verboten, und die Skigebiete im Norden sind noch in Betrieb. Dies bei bestätigten 2046 Erkrankten und 25 Corona-Toten.
Der Appell an die Eigenverantwortung mit der Androhung härterer Massnahmen klappt laut SRF-Skandinavien-Korrespondent Bruno Kaufmann im Grossen und Ganzen: Viele Arbeitsplätze sind zurzeit nicht besetzt, zahlreiche Firmen, Kultureinrichtungen und Sportveranstalter haben von sich aus gehandelt: «In der Umsetzung ist man gar nicht so weit weg von anderen Ländern», schätzt Kaufmann.
Störende Ausnahmen
Ausnahmen gebe es natürlich, und die würden in den sozialen Medien scharf beobachtet: So etwa das Après-Ski im Skiort Åre, das Schlagzeilen machte. Nicht gut angekommen sei am Montag auch der neue Fahrplan der Stockholmer Verkehrsbetriebe mit weniger Bussen, der zu einem Gedränge führte.
Die wirtschaftlichen Aspekte haben in den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden laut Kaufmann klar eine sekundäre Rolle gespielt. Der Verzicht auf generelle Schulschliessen werde damit begründet, dass Kinder nicht wirkliche eine Risikogruppe seien. Zudem seien die meisten Eltern arbeitstätig. Gerade im Gesundheitswesen und anderen systemrelevanten Bereichen würde eine Schulschliessung deshalb die Grosseltern und damit die eigentliche Risikogruppe mehr belasten.
Seltene politische Eintracht
Auch Schweden federt die Folgen der Corona-Krise mit Milliarden-Paketen ab. Denn die schwedische Industrie ist Teil der globalisierten Wirtschaft. So hat etwa der Fahrzeughersteller Volvo freiwillig und aus Vorsicht dichtgemacht, weil Unterlieferanten behindert sind und Ausfuhren nicht möglich.
Überraschenderweise sei sich die oft zerstrittene Politik mit acht Parteien und einer Minderheitsregierung über den aktuellen Corona-Kurs einig, so Kaufmann. Auch aus Wissenschaft und Medien werde kaum eine härtere Gangart gefordert. «Allerdings wird die Stimmung schon auch auf härtere Massnahmen vorbereitet», unterstreicht Kaufmann.
Die Stimmung wird schon auch auf härtere Massnahmen vorbereitet.
Das zeigt nicht zuletzt die Ansprache an die Nation des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Kjell Stefan Löfven vom Sonntag. Eine solche Ansprache fand letztmals 2003 nach der Ermordung der Aussenministerin Anna Maria Lindh statt.
Vieles ist noch möglich
Insgesamt hat also auch Schweden umfassende staatliche Massnahmen ergriffen werden, auch wenn Symbolhandlungen wie Grenzschliessungen bisher fehlen. Auch wird heute erneut darüber diskutiert, ob die Skigebiete im Norden über Ostern geöffnet bleiben dürfen. Bereits letzte Woche erteilte das Parlament der Regierung die Vollmacht für eine allenfalls nötige generelle Schulschliessung. Auch die Versammlungsfreiheit könnte sie rechtlich weiter einschränken.