- Bei der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Nicaragua steuert Amtsinhaber Daniel Ortega auf einen klaren Sieg zu.
- Nach Auszählung von etwa der Hälfte der Stimmen komme der ehemalige marxistische Rebellenanführer auf rund 75 Prozent, wie die Wahlkommission mitteilte.
- Ortega wird von der EU und den USA stark kritisiert.
Die US-Regierung verurteilte die Wahl unter Verweis auf das harte Vorgehen gegen die Opposition als weder frei noch fair und drohte mit neuen Sanktionen. Ortega und seine Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo hätten eine «Scheinwahl inszeniert», sagte US-Präsident Joe Biden. Er forderte Ortega auf, die Demokratie in dem mittelamerikanischen Land wiederherzustellen und inhaftierte Oppositionsführer freizulassen. Andernfalls würden die USA alle «diplomatischen und wirtschaftlichen Mittel» einsetzen, um die Ortega-Regierung zur Rechenschaft zu ziehen.
EU spricht Wahl Legitimität ab
Auch die EU hat den Wahlen in Nicaragua jegliche Legitimität abgesprochen und gegen Machthaber Ortega schwere Vorwürfe erhoben. Er habe glaubwürdigen Wettbewerb verhindert und dem Volk das Recht genommen, seine Vertreter frei zu wählen, teilte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell im Namen der Mitgliedstaaten mit.
Die Integrität des Wahlprozesses in dem mittelamerikanischen Land sei durch die systematische Inhaftierung, Verfolgung und Einschüchterung von Präsidentschaftskandidaten, Oppositionsführern, Studentenführern, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Wirtschaftsvertretern untergraben worden. «Nach den im Frühjahr 2018 ausgebrochenen sozialen Protesten hat die nicaraguanische Regierung zu Gewalt gegen das eigene Volk gegriffen (...) und das Land in eine Republik der Angst verwandelt», heisst es in der EU-Erklärung. «Die Wahlen vom 7. November vollenden die Umwandlung Nicaraguas in ein autokratisches Regime.»
Dienstältester Staatschef der Region
Ortega regiert seit Jahren mit harter Hand. Er hatte sich am Sonntag zur Wiederwahl gestellt, nachdem sieben andere Anwärter auf das Präsidentenamt verhaftet oder unter Hausarrest gestellt worden waren. Auch zahlreiche Oppositionelle waren in den Monaten vor der Wahl festgenommen worden. Nur fünf wenig bekannte Kandidaten kleinerer Parteien, die mit Ortegas Sandinisten verbündet sind, durften bei der Abstimmung antreten. Internationale Wahlbeobachter aus der Europäischen Union und der Organisation Amerikanischer Staaten waren nicht zugelassen.
Ortega, der Ende der 1970er-Jahre eine führende Rolle beim Sturz der rechten Somoza-Diktatur hatte, ist der dienstälteste Staatschef in der Region. In den 1980er-Jahren war er nach einer Amtszeit abgewählt worden, ehe er 2007 an die Staatsspitze zurückkehrte. Seine Regierungspartei FSLN setzte 2014 eine Verfassungsreform durch, die eine Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten abschaffte. 2018 liess er Proteste gegen seine Regierung gewaltsam niederschlagen. Dabei wurden mehr als 300 Menschen getötet. Seitdem sind Tausende Menschen aus Nicaragua ins Ausland geflohen, vor allem ins benachbarte Costa Rica und in die USA. Ortega behauptet, er verteidige Nicaragua gegen skrupellose Gegner, die ihn mithilfe ausländischer Mächte stürzen wollen.