Die japanische Regierung erwägt, die Unterstützung zum Bau von Kohlekraftwerken in Schwellenländern einzustellen. Das meldete die japanische Wirtschaftszeitung «Nihon Keizei Shimbun». Dies wäre zwar ein erster Schritt, doch von einer eigentlichen Energiewende in Japan könne weiterhin keine Rede sein, meint Journalist und Japan-Kenner Martin Fritz.
SRF News: Was sind die Beweggründe, dass Japan jetzt aus der Förderung von Kohlekraftwerken aussteigen will?
Martin Fritz: Das Land steht wegen seiner Kohle-Politik schon seit Längerem am Klimapranger. Zunächst hatten NGOs dagegen protestiert, inzwischen herrscht auch bei zahlreichen Industrieländern grosses Unverständnis für diese Praxis. Seit Juli 2020 fördert Japan – als Reaktion auf die Kritik – immerhin nur noch Kohlekraftwerke der neusten Generation. Jetzt hat US-Präsident Joe Biden Japans Premierminister Yoshihide Suga als ersten ausländischen Regierungschef ins Weisse Haus eingeladen, ausserdem plant Biden am 22. April einen Online-Klimagipfel.
Japan steht unter Druck zahlreicher Industrieländer.
Japan fühlt sich unter Druck, die USA in ihrer neuen Klimapolitik zu unterstützen. Schliesslich sind die USA Japans einziger Sicherheitspartner. Entsprechend will Japan mehr zur Lösung des weltweiten Klimaproblems beitragen. Da bietet sich als schnelle Lösung die Einstellung der Kohle-Förderung an. Zudem haben auch japanische Privatunternehmen wie Toshiba bereits früher angekündigt, aus dem Kohlekraftwerkbau auszusteigen.
Was würde denn Japan drohen, wenn es weiterhin im Ausland Kohlekraftwerke subventioniert?
Es geht vor allem ums Image. Premier Suga hat im Herbst 2020 erstmals versprochen, dass Japan bis 2050 klimaneutral wirtschaften will und er die Ziele des Pariser Klimaabkommens unterstützt. Da kann er nicht weiterhin Kohlekraftwerke fördern – bloss, um den japanischen Kraftwerkherstellern zu helfen. Kritik an der Förderung kam etwa von Bidens Klima-Beauftragtem John Kerry und dem britischen Premier Boris Johnson, der bald die G7 präsidieren wird.
Wie wichtig ist die Kohleindustrie für Japan heute noch?
Japan fördert seit 20 Jahren keine Kohle mehr im eigenen Land, hat sich aber riesige Kohlevorkommen in anderen Ländern gesichert. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 erzeugen jetzt Kohlekraftwerke rund einen Viertel des Stroms, welchen die 126 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Japans verbrauchen. Ohne Kohle hätte Japan akute Probleme, seinen Energiebedarf zu decken.
In Japan befinden sich mehr als ein Dutzend neuer Kohlekraftwerke im Bau.
Um die Klimaziele zu erreichen, müsste Japan eigentlich von der Kohle wegkommen, doch davon ist bislang nichts zu sehen. Derzeit befinden sich mehr als ein Dutzend neue Kohlekraftwerke in Japan im Bau, mehrere neue Riesenmeiler sind in den letzten Jahren bereits ans Netz gegangen. Dabei kämen nur die allerneusten Techniken zur Anwendung, redet sich die Regierung heraus. Ausserdem plant sie, das ausgestossene Kohlendioxid unter dem Meer zu speichern.
Japan hat derzeit den fünfthöchsten Pro-Kopf-Ausstoss an CO2 aller Länder. Wie schnell macht Japan vorwärts, um das zu ändern?
Von einer Energiewende kann hier keine Rede sein. Tokio setzt voll auf fossile Energie, die Wasserkraft macht bloss zehn Prozent der Energieproduktion aus. Wenn Japan den Worten nicht bald Tagen folgen lässt, wird es seine Klimaziele nicht erreichen.
Das Gespräch führte Roger Aebli.