Noch vor drei Wochen hiess es, die Verhandlungen zwischen den Briten und der EU drohten zu platzen. Denn die britische Regierung stiess Brüssel mit einem umstrittenen Binnenmarktgesetz vor den Kopf. Nun hat das Gesetz eine wichtige Hürde genommen, dennoch wird weiter verhandelt. Die äusseren Umstände zwingen beide Seiten zu Pragmatismus.
Ein leises Ja nach lauten Tönen
Im Vorfeld gab es laute Töne, Schuldzuweisungen und Drohungen. Doch am Ende haben die britischen Parlamentarier im Unterhaus ziemlich leise Ja gesagt zum umstrittenen Binnenmarktgesetz. Die EU hatte vor rund drei Wochen angedroht, rechtliche Schritte in die Wege zu leiten und den Briten ein Ultimatum bis zum 30. September gesetzt, um das umstrittene Gesetz zu justieren.
Das geplante Binnenmarktgesetz verstösst in Teilen gegen internationales Recht, denn es widerspricht dem Austrittsabkommen, welches die Briten und die EU letztes Jahr unterzeichnet hatten.
Ultimatum der EU verstreicht ohne Konsequenzen
Das Ultimatum verstreicht heute, doch vorläufig unternimmt die EU nichts. Zu wichtig sind die aktuellen Verhandlungen mit den Briten über die künftigen Handelsbeziehungen. Die EU will nicht Schuld sein, sollten die Verhandlungen platzen.
Umgekehrt krebst aber auch die britische Regierung zurück. Das Gesetz kommt nun ins Oberhaus, doch ein genauer Zeitplan für die Debatte steht nicht fest. Dies verzögert den Prozess bis zur definitiven Abstimmung. Das wird als Zeichen gewertet, die EU nicht weiter provozieren zu wollen.
Widerstand gegen den No-Deal
Premierminister Boris Johnson kann sich nicht mehr so leicht gewagte Manöver leisten, wie noch vor einem Jahr. Er hat in den vergangenen Monaten an Glanz verloren, denn sein Leistungsausweis bei der Pandemie-Bekämpfung ist ungenügend. Selbst in seiner eigenen Partei – den Tories – gerät der Premierminister immer mehr unter Druck
Innerhalb seiner Regierung formiert sich zudem erstmals Widerstand gegen eine No-Deal-Strategie. Kürzlich haben Staatsminister Michael Gove und Finanzminister, Rishi Sunak Johnson deutlich davor gewarnt. Ein solches Szenario wäre für das Vereinigte Königreich, das von der Pandemie arg erschüttert wurde, wirtschaftlich wohl nur schwer verkraftbar. Besonders Rishi Sunak hat durch zunehmende Beliebtheit bei den Wählern an Einfluss in der Regierung gewonnen. Seine Meinung kann Johnson nicht mehr ohne weiteres ignorieren.
So zwingen die äusseren Umstände beide Seiten, die EU und die Briten, dazu Pragmatismus walten zu lassen und auf ein Abkommen hinzuarbeiten.