Die öffentlichen Universitäten in Afghanistan waren seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 geschlossen. Diese Woche hat der Unterricht wieder begonnen. Wie das Bildungsministerium unter dem neuen Regime die Vorlesungen für Männer und Frauen gestalten will, war lange unklar. Nun gilt, dass die Klassen nach Geschlechtern getrennt sein müssen. Vor dem Sturz der Regierung war dies anders.
«Die Taliban haben in ihrer Mitteilung zwar nicht speziell erwähnt, dass Frauen wieder zur Universität gehen können», erklärt Thomas Gutersohn, Südasien-Korrespondent von Radio SRF. «Aber die Tatsache, dass zum Beispiel in Dschalalabad, im Südosten des Landes, die Frauen nicht daran gehindert wurden, am Unterricht teilzunehmen, ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch ein sehr zaghafter.»
Jahreszeit spielt eine Rolle
Dabei, warum die Öffnung der Universitäten gerade jetzt beschlossen wurde, spiele der Winter eine Rolle, so Gutersohn. «Über die Wintermonate waren die Universitäten immer geschlossen, auch während der vorherigen Regierungen, weil es schlicht zu kalt ist.»
Im wärmeren Süden des Landes, in Kandahar oder eben auch Dschalalabad, seien die Universitäten nun geöffnet worden. «In den kälteren Regionen wie in Kabul zum Beispiel muss man damit noch warten bis im März.» Vielleicht hätten aber auch die Gespräche mit westlichen Diplomaten wie zuletzt in Oslo einen Einfluss gehabt.
Abhängig vom Wohlwollen
«Der Westen sieht die Bildung für Frauen als Voraussetzung für weitere Hilfen. Das könnte einerseits ein Grund sein, weshalb sich die Taliban jetzt etwas mehr öffnen, als man zu Beginn vielleicht erwartet hat.» Es gehe schliesslich auch um viel Geld für das bitterarme Afghanistan.
Die Taliban haben den Unterricht nie per se ausgeschlossen.
«Auf der anderen Seite haben die Taliban immer gesagt, dass sie Frauen an Universitäten wieder zulassen wollen – halt einfach nach ihren Bedingungen», sagt der SRF-Südasien-Korrespondent weiter. «Sie haben den Unterricht für Frauen nie per se ausgeschlossen.»
Grosse Frage der Finanzierung
Dass die Universitäten ein knappes halbes Jahr nach dem Sturz der Regierung wieder öffnen, kommt für Gutersohn überraschend rasch, angesichts dessen, in welchem Chaos sich das Land befand und immer noch befindet. Die Frage sei, wie die Kurse finanziert würden. «Gibt es genug Lehrpersonen? Erhalten sie ein Salär? Und öffnen weitere Universitäten?»
Wenn dies geklärt sei, sei es sicher eine Investition in die langfristige Zukunft des Landes, so Gutersohn. Doch akut gebe es andere Probleme. «Es geht immer noch darum, das Bankenwesen wieder in Schwung zu bringen, sodass Menschen Geld abheben können, um ihre Einkäufe zu tätigen, um auch die aktuelle Hungerkrise in den Griff zu bekommen.»
Für viele dieser Menschen sei jetzt erst einmal wichtig, ihre Töchter ernähren zu können, bevor sie sie an die Universität schicken.
Armut grösser als vor Taliban
Hunderttausende Jobs sind unter den Taliban verloren gegangen. «Afghanische Frauen leiden besonders unter diesem Regime. Sie sind nach wie vor weitgehend von Stellen im öffentlichen Sektor ausgeschlossen», weiss der Korrespondent. Die Öffnung der Universitäten gebe da ein wenig Anlass zu Hoffnung.
Es komme aber darauf an, wie es weitergehe, ob sich die Taliban zum Beispiel auch noch offiziell dazu äussern, dass Frauen wieder studieren dürfen. «Das würde sicherlich auch etwas Vertrauen schaffen.»
Wichtig sei es, zu sehen, ob die Kurse, die Frauen belegen dürfen, limitiert sind, oder ob sie wirklich die freie Wahl haben.