Kriege, Konflikte und Krisen verschärfen die Flüchtlingskrise weltweit. Inzwischen sind erstmals mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg.
Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf spricht von einem «dramatischen Meilenstein», der nicht zuletzt durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie die schwierige Lage in Afghanistan und anderen Ländern erreicht worden sei.
Die Vertreibung aus der Ukraine sei die am schnellsten wachsende derartige Krise seit Gründung des UNHCR 1951. Innerhalb von Wochen seien Ukrainerinnen und Ukrainer zur zweitgrössten Flüchtlingsgruppe der Welt geworden, nach Syrerinnen und Syrern. 4.9 Millionen Menschen flüchteten bislang aus der Ukraine, aus Syrien waren es fast sieben Millionen.
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Eigentlich bezieht sich der Bericht jeweils auf das vorangegangene Jahr. Wegen der dramatischen Folgen des russischen Angriffskriegs nannte das UNHCR ausnahmsweise auch die aktuelle Flüchtlingszahl von Mai 2022.
Jedes Jahr mehr Flüchtlinge – seit 2007
Aber auch Ende 2021 sei bereits eine Rekordzahl von Menschen auf der Flucht gewesen: 89,3 Millionen, acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor, so das UNHCR. Es war der 15. jährliche Anstieg in Folge. Insgesamt waren mehr als doppelt so viele Menschen auf der Flucht wie vor zehn Jahren. Rund 60 Prozent der Vertriebenen fanden Zuflucht innerhalb der Grenzen des eigenen Landes.
«Was wir in der Ostukraine sehen, ist sehr brutal und sehr furchteinflössend», sagte Filippo Grandi, UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge. Es sei aber fatal, wenn das Augenmerk nur auf die Ukraine gerichtet sei. Es fehlten riesige Geldsummen, um Menschen in anderen Erdteilen zu helfen.
Er nannte unter anderem Spannungen in West- und Ostafrika, im Mittleren Osten, die Lage der aus Myanmar vertriebenen Rohingya und die Situation in Südamerika, wo viele Länder Flüchtende aus Venezuela aufgenommen haben.
Die Ukraine-Krise habe gezeigt, dass mit politischem Willen viele Menschen aufgenommen werden könnten. Regierungen müssten etwas dagegen tun, wenn Flüchtlinge als Menschen dargestellt werden, die der Bevölkerung nur Arbeitsplätze wegnehmen.
Die Krisen werden immer schwieriger zu bewältigen
Die Krisen werden nach Angaben von Grandi immer vertrackter. Konflikte würden durch wachsende Ungleichheit geschürt. Schlechte Regierungsführung verhindere vielerorts Entwicklung. Der Klimawandel verschärfe etwa den Kampf um Ressourcen, zum Beispiel in der Sahel-Zone in Afrika, was schwelende ethnische Konflikte anheize.
Die explodierenden Lebensmittelpreise dürften noch mehr Menschen in die Flucht treiben, sagte Grandi. Schon jetzt seien mit den Flüchtlingen, die in ihrer Heimat bedroht sind und nach dem humanitären Völkerrecht schutzbedürftig seien, immer mehr auch andere Migranten unterwegs.
Viele machten sich aus Perspektivlosigkeit und Verzweiflung, weil sie ihre Familien nicht mehr ernähren können, auf die Suche nach einem besseren Leben.