Laut dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) sind weltweit eine Million Arten von Tieren und Pflanzen vom Aussterben bedroht. An der 16. UNO-Biodiversitätskonferenz (COP16) im kolumbianischen Cali sprechen Delegierte von fast 200 Ländern darüber, wie sich das Artensterben verhindern lässt.
Dazu präsentieren die Länder in den kommenden zwei Wochen ihre nationalen Strategien zur Umsetzung des Biodiversitätsrahmenwerks, welches die Staaten vor zwei Jahren unterzeichnet haben. Ziel der Vereinbarung ist es, den Verlust der Artenvielfalt bis 2030 zu stoppen.
Doch viele Staaten hinken hinterher: Nur rund die Hälfte hat neue Ziele zur Umsetzung der Konvention eingereicht. Auch die Schweiz hat ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Der Bundesrat hat den neusten Aktionsplan Biodiversität erst auf Ende Jahr angekündigt.
Aussenpolitische Ambitionen treffen auf innenpolitische Realitäten
Während sich die Schweiz auf internationaler Bühne für einen aktiveren Schutz der Biodiversität einsetzt, hapert die Umsetzung zu Hause. Im Sommer lehnte das Parlament einen Vorschlag zur Schaffung von mehr Biodiversitätsförderflächen auf Ackerland ab. Zudem wurde die Biodiversitäts-Initiative im September mit einem deutlichen Nein von 63 Prozent von der Stimmbevölkerung abgelehnt.
Der Unmut unter Umweltverbänden ist deshalb gross. «Es gibt eine klare Diskrepanz zwischen dem internationalen Engagement der Schweiz und den mangelnden Fortschritten im eigenen Land», kritisiert Friedrich Wulf von Pro Natura. «Der Schweizer Igel profitiert wenig davon, wenn wir ein Naturschutzgebiet in Uganda unterstützen, aber hier kaum Schutzflächen schaffen.»
Das zuständige Bundesamt für Umwelt reagiert auf die Vorwürfe nur schriftlich: «Die Schweiz hat das Abkommen zugunsten der Artenvielfalt ratifiziert und steht zu dieser Verpflichtung.»
Knackpunkt Aktionsplan
Der zweite nationale Aktionsplan zur Biodiversität soll nationale Massnahmen festlegen, um die Ziele zur Erhaltung der Artenvielfalt bis 2030 zu erreichen. Während für den ersten Plan (2017–2024) noch 50 Millionen Franken zur Verfügung standen, sind für den zweiten Plan offenbar nur 9.9 Millionen vorgesehen.
Diese Kürzung sorgt bei den Umweltverbänden für Kritik. Pro Natura betont, dass viele der vorgesehenen Massnahmen nicht bindend seien: «Die Entwürfe enthalten in vielen Fällen nur Pilotprojekte oder Gutachten, die wenig konkrete Wirkung auf die Natur haben.»
Der Bundesrat will die finanzielle Ausstattung des Aktionsplans erhöhen. Laut dem «Tagesanzeiger» sollen die Mittel auf 20 Millionen Franken aufgestockt werden. Das zuständige Bundesamt für Umwelt bestätigte auf Anfrage lediglich, dass der Aktionsplan noch in Arbeit sei und bis Ende Jahr vom Bundesrat verabschiedet werden soll.
Ob die Schweiz ihre internationalen Verpflichtungen auch auf nationaler Ebene einhalten kann, bleibt fraglich. Fest steht, dass an der nächsten COP im Jahr 2026 Bilanz gezogen wird. Dann wird sich zeigen, ob die Schweiz ihre ambitionierten Biodiversitätsziele auch im Inland umzusetzen vermochte.