- Auf den Golanhöhen sollen UNO-Blauhelm-Soldaten aus Österreich im Jahr 2012 neun syrische Polizisten nicht vor einer tödlichen Falle gewarnt haben.
- Auf einem den Medien zugespielten Video ist zu sehen, wie die Polizisten in ihrem Geländefahrzeug auf einer Bergstrasse aus dem Hinterhalt beschossen werden.
- Den Blauhelm-Soldaten wird vorgeworfen, dass sie an einem Grenzposten das syrische Fahrzeug haben weiterfahren lassen, obwohl sie zuvor eine Gruppe bewaffneter Männer beobachtet hatten, die sich für einen Feuerüberfall eingerichtet haben.
Der gravierende Zwischenfall soll sich 29. September 2012 beim Mount Hermon auf den Golanhöhen, in der entmilitarisierten Pufferzone zwischen Israel und Syrien, ereignet haben.
In einem Video, das die österreichische Wochenzeitschrift «Falter» am Freitag veröffentlicht hat, ist zu sehen, wie die neun syrischen Geheimpolizisten in ihrem Toyota Pick-up auf einer Bergstrasse in einen Kugelhagel geraten.
In einer anderen Videosequenz ist zu sehen, dass vor dem Feuerüberfall eine Gruppe bewaffneter Männer im steinigen Gebiet einen nicht einsehbaren Hinterhalt aufbauen. Der «Falter» bezeichnet die 13 Männer als «syrische Schmuggler».
Verstörende Video-Aufnahmen
Im österreichischen Dialekt sagt ein Mann, er mache jetzt ein Video von dem, was er beobachte, denn «das ist ein Himmelfahrtskommando». Eine Stunde später filmen die Österreicher das syrische Fahrzeug, dass auf der Bergstrasse in die Falle fährt.
Zuvor musste der Toyota aber einen UNO-Wachposten der UNDOF-Truppen (United Nations Disengagement Observer Force) passieren. Die österreichischen Wachposten sprechen noch mit den syrischen Geheimpolizisten auf Englisch und lassen das Fahrzeug anschliessend passieren.
Nach dem Checkpoint ins Verderben
Der Vorwurf lautet, dass die UNO-Soldaten die syrischen Geheimpolizisten bewusst passieren liessen, obwohl sie von der drohenden Gefahr gewusst haben. Im Video besprechen die Blauhelm-Soldaten denn auch, ob sie die Polizisten nicht hätten warnen sollen: «Normal musst du denen sagen. Wenn da einer überbleibt, kommt er umma und schiesst uns ab», ist ein Mann umgangssprachlich zu hören.
Nach der Wegfahrt ist im Off zu hören: «Winkt nur, solange ihr noch könnt». Die österreichischen Soldaten gehen davon aus, dass gleich Schüsse fallen werden: «Jetzt geht’s gleich los, wirst sehn».
Als die Soldaten feststellen, dass es Tote gegeben hat, wird per Funk ein Ambulanzwagen aufgeboten. Der Einsatz wird aber kommentiert mit: «Da hat keiner überlebt, kannst gleich abblasen.»
Dokumente eines Whistleblower
Florian Klenk, Chefredakteur der Zeitschrift «Falter», erklärt, dass die Redaktion von einem Whistleblower Videodateien, Fotos und ein Schreiben zu dem Vorfall erhalten habe. Die österreichischen UNO-Soldaten, die nicht zu sehen sind, scheinen den Vorfall selbst gefilmt zu haben.
Das österreichische Verteidigungsministerium hat sofort eine Untersuchungskommission eingesetzt, die am Samstagvormittag ihre Arbeit aufnahm. «Die Vorfälle werden lückenlos und minutiös aufgeklärt werden», sagte Verteidigungsminister Mario Kunasek. Der Zwischenfall sei «in dieser Dimension» erst durch die dem «Falter» zugespielten Fotos und Videos bekannt geworden, hiess es in einer Stellungnahme.
«Gehandelt gemäss Auftrag»
Am Sonntag meldete sich ein ehemaliger Soldat des österreichischen Bundesheers bei den «Salzburger Nachrichten», der die Stimmen der Männer auf dem Video kennt und früher selber auf den Golanhöhen stationiert war.
Er nimmt die Blauhelm-Soldaten in Schutz: «Sie haben zu 100 Prozent korrekt gemäss unserem Auftrag gehandelt». Er räumt aber ein, «die Sprüche auf dem Video sind derbe und nicht korrekt, aber man muss bedenken, dass sie von jungen Burschen kommen, die unter Stress stehen.»
Die Österreicher auf den Golanhöhen hätten sich neutral verhalten müssen und «der Befehl lautete: nicht einmischen». Wenn sie die syrischen Polizisten gewarnt hätten, wären sie selbst «auf der Abschussliste der Bewaffneten» gelandet.
Restriktiver Befehl ist plausibel
Für den diplomatischen Korrespondenten von SRF, Fredy Gsteiger, ist es glaubwürdig, dass der Befehl war, sich nicht einzumischen: «Die Blauhelm-Truppen haben oft Einsatzbefehle, die sehr restriktiv definiert sind.» Die Frage sei, ob der Befehl vom österreichischen Kommandanten stammte oder so bereits im UNO-Einsatzbefehl formuliert war.
Zudem sei ein «nicht eingreifen» zu definieren, sagt Gsteiger. Es sei unklar, ob es bedeute, selber nicht zu schiessen oder militärisch aktiv zu werden, oder nicht einmal zu warnen, wenn jemand in einen Hinterhalt zu geraten drohe.
Österreich beendet 2013, also ein Jahr nach dem Vorfall, seinen Einsatz auf den Golanhöhen. Ein Zusammenhang mit dem Ereignis von 2012 sei nicht auszuschliessen, sagt Gsteiger: «Das österreichische Argument für den Rückzug lautete damals, mit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs sei dort die Blauhelm-Mission sehr schwierig geworden.» Die UNO sei damals enttäuscht gewesen, dass Österreich sich zurückzog und auch viele Beobachter hätten sich verwundert.
«Schlimmstenfalls Beihilfe zum Mord»
Um bei der Friedenssicherung nicht zwischen die Fronten zu geraten, müssen Blauhelm-Truppen neutral bleiben. Das sagt auch der österreichische Völkerrechtler Manfred Nowak. Er meint, dass Blauhelme auf dem Golan neutral sein müssten zwischen Syrien und Israel, aber nicht unbedingt neutral zwischen syrischen Sicherheitskräften und bewaffneten Banditen.
Gegenüber österreichischen Medien sagte Nowak am Freitag, dass den Blauhelm-Soldaten nun ein Strafverfahren in Österreich ins Haus stehen könnte. Sie könnten «im schlimmsten Fall» wegen Beihilfe zum Mord belangt werden.