Drei Personen prägten, auf ganz unterschiedliche Weise, die diesjährige Gipfelwoche der UNO. Erstens und unvermeidlich: US-Präsident Donald Trump. Er machte deutlich: Die jahrzehntelange Führungsmacht will im Grunde bloss noch eine «UNO à discrétion». Mitmachen, wo es sich für die USA lohnt. Und sonst nicht.
Ein Abschied auf Raten
Es ist ein Abschied auf Raten. Und nicht unbedingt zum Nutzen der Vereinigten Staaten. Sie, deren Kind die UNO im Grunde ist, haben zwar enorm viel getan für die Weltorganisation und damit für die Welt, aber sie haben auch stark davon profitiert. Ihr Weltbild, ihre Anliegen dominierten die internationale Politik.
Das wird nun anders – und dürfte auch dann anders bleiben, wenn Trump wieder weg ist. Bis weit ins demokratische Lager hinein wollen US-Politiker und wohl eine satte Mehrheit der Amerikaner Lasten und Verantwortung für die Welt abgeben. Ein gewisser Isolationismus, ein «America First»-Geist dürften also Trumps Amtszeit lange überdauern.
Multilateralisten werden rar
Zweitens war da eine junge Frau, die ihren drei Monate alten Säugling in die UNO-Generalversammlung mitbrachte – was eine Premiere war und entsprechend weltweit für Schlagzeilen sorgte: Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern ist eine aufgeschlossene Kämpferin für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Das, was manche Trump-Anhänger eine «Multilateralistin» schimpfen.
Solche werden allmählich rar. Denn nicht nur die USA, auch Regierungen wie jene Italiens, Polens, Ungarns und sehr viele andere ziehen sich zurück von der internationalen Bühne oder vertreten dort nurmehr egoistische Interessen.
Xi Jinping omnipräsent, ohne vor Ort zu sein
Schliesslich war da, drittens, ein Mann, der in New York gar nicht anwesend war: Chinas Präsident Xi Jinping. Dennoch waren er und mit ihm China bei jedem einzelnen Treffen, in den Korridoren, Cafeterias und Botschaftskanzleien am und rund um den UNO-Hauptsitz sehr spürbar präsent. Chinas Aufstieg zu einer Führungsmacht ist atemberaubend und erfolgt zielstrebig.
Peking schickt Spitzenleute in die UNO. Und Amerikas Rückzug und Unberechenbarkeit erlaubt es China, sich als Hohepriester der internationalen Kooperation zu inszenieren. Wo die USA ihr Engagement reduzieren, etwa bei den UNO-Friedenstruppen, ist China sofort bereit einzuspringen, fordert aber ebenso diskret wie unmissverständlich den Posten des obersten Chefs aller Blauhelmsoldaten.
Der Wandel geht schnell, der Widerstand ist gering
Eine UNO, in der die USA und damit der Westen insgesamt eine wesentlich kleinere Rolle spielen, ist nicht notgedrungen eine schwächere UNO. Aber sie wird zu einer anderen Weltorganisation. Zwar waren die Europäer – und keineswegs nur sie – längst nicht immer begeistert über das Wirken der USA. Aber langfristig setzte sich Washington und in dessen Gefolge die UNO als Ganzes für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Liberalismus und Freihandel ein.
China hingegen arbeitet bereits sehr aktiv daran, seine Werte zu UNO-Referenzwerten zu machen, seine Ziele zu UNO-Zielen und sein Politik-, Entwicklungs- und Wirtschaftsmodell Schritt für Schritt durchzusetzen. Der Einfluss von China war lange Zeit diskret, jetzt ist er unübersehbar. Und der Wandel geht schnell. Denn der Widerstand des auf einmal in manchen Schlüsselfragen – Freihandel, Klima, Iran-Politik, Menschenrechte – gespaltenen Westens ist gering.
Europa fehlt Geschlossenheit
Kommt hinzu, dass China mit Russland einen mächtigen und diplomatisch versierten Partner an Bord geholt hat. Das Ziel, das beide teilen: Die westliche Bastion in der UNO schleifen. Dafür sorgen, dass jemand anderes den Ton angibt.
Viele Regierungen, vor allem die zahlreichen autokratischen, begrüssen diese Entwicklung und unterstützen sie. Die Europäer sehen es indes mit Sorge. Ihnen fehlen aber zurzeit Geschlossenheit und Kraft, sie aufzuhalten. Ohne die Amerikaner erst recht.
Zwar wurde in der UNO-Generalversammlung gelacht, als Trump dort zu einem dreisten Werbespot für sich selber anhob. Das Gelächter sorgte rund um den Globus für Schlagzeilen. Aber nicht wenige besorgte Beobachter finden das Ganze nicht zum Lachen, sondern zum Heulen.