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Beweise sammeln von Menschenrechtsverbrechen in Myanmar
Aus Echo der Zeit vom 23.07.2021. Bild: Keystone
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UNO-Gremium eingerichtet «Irgendwann landen Myanmars Gewaltherrscher vor Gericht»

Die Militärjunta sitzt fest im Sattel. Doch die UNO sammelt Beweise gegen die Menschenrechtsverbrecher in Myanmar.

Viele Beobachter sahen im gewalttätigen Vorgehen der burmesischen Militärs 2017 gegen die muslimische Rohingya-Minderheit einen Völkermord. Darum wurde UNO-Generalsekretär António Guterres auf einer Medienkonferenz gefragt, ob es sich auch aus seiner Sicht um ethnische Säuberungen handle. Guterres, gewöhnlich sehr vorsichtig, antwortete mit einer Gegenfrage: «Wenn ein Drittel der Rohingya-Bevölkerung aus dem Land fliehen muss – gibt es da ein besseres Wort, um den Sachverhalt zu schildern als ethnische Säuberung?»

Die UNO rief deshalb ein Gremium ins Leben mit dem sperrigen Namen «Unabhängiger Untersuchungsmechanismus für Myanmar». Konkret geht es darum, Beweise zu sammeln für die schlimmsten Menschenrechtsverbrechen in Myanmar, sagt der Chef des Gremiums, der Amerikaner Nicholas Koumjian.

Koumjian wirkte jahrzehntelang als Staatsanwalt in den USA und in den internationalen Tribunalen für Ex-Jugoslawien, für Kambodscha, Osttimor, Darfur und Sierra Leone. Er baut nun ein Team auf, das am Ende mehr als fünfzig Mitglieder zählen wird: Anwälte, Polizeiermittler, Politikanalysten, Techniker. Schon jetzt gingen mehr als 210'000 Informationen ein, oft Handyvideos und -fotos. «Enorm viele mutige Burmesinnen und Burmesen wollen mit uns zusammenarbeiten. Auch Facebook hat sich bereiterklärt, Daten zu liefern.»

Chinas schützende Hand über dem Regime

Koumjians Team sichtet, ordnet, bewertet und überprüft all diese Puzzlestücke und fügt sie zu einem Gesamtbild zusammen. Allerdings: Unmittelbar verwenden lassen sie sich vorläufig nicht. Zwar müssten die Machthaber in Myanmar längst angeklagt sein am Internationalen Strafgerichtshof ICC in Den Haag. Bloss: Myanmar trat dem ICC nie bei, weshalb dessen Hände gebunden sind. Und im UNO-Sicherheitsrat, der dafür sorgen könnte, dass der ICC trotzdem Anklage erheben könnte, hält die Vetomacht China, unterstützt von Russland, die schützende Hand über die burmesische Militärjunta.

Deshalb kann Koumjians Organisation das Regime auch nicht zwingen, seine Leute vor Ort, in Myanmar selber, recherchieren zu lassen: «Das ist eine Herausforderung. Doch wir meistern sie. Es ist entscheidend, bereits jetzt das Sammeln von Beweisen voranzutreiben – für den Tag, an dem dann doch Anklagen möglich sind.»

Min Aung Hlaing, der Anführer der Militärjunta.
Legende: Weder droht dem Regime momentan ein Sturz, noch müssen die Machthaber eine Verurteilung durch den ICC fürchten. Doch ganz ruhig schlafen sollten sie nicht. Im Bild: Min Aung Hlaing, der Anführer der Militärjunta. Reuters

Denn dann ist es oft zu spät: Zeugen sind gestorben, nicht mehr auffindbar oder erinnern sich nur noch vage. Dokumente sind verschwunden oder wurden vernichtet. Beweismaterial fehlt. Genau aus diesem Grund rief die UNO-Generalversammlung schon 2016 eine vergleichbare Organisation ins Leben, eine, die Beweise für Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen sammelt, in diesem Fall für Syrien.

Es gibt eine internationale Strafjustiz, trotz aller Widerstände. Und weil es sie gibt, werden nicht noch viel mehr Grausamkeiten verübt.
Autor: Nicholas Koumjian Chef des UNO-Gremiums für Myanmar

Koumjian ist zuversichtlich, dass auch die Täter und Drahtzieher in Myanmar irgendwann vor den Gerichtsschranken landen. Vor dem ICC oder vielleicht, wenn es dort dereinst einen Machtwechsel gibt, sogar in Myanmar selber. Immerhin landeten am Ende auch der Serbe Slobodan Milosevic, der Liberianer Charles Taylor oder die Gewaltherrscher in Kambodscha vor Gericht. «Beispiele, die den Tätern eine Warnung sein müssten», sagt Koumjian: «Es gibt eine internationale Strafjustiz, trotz aller Widerstände. Und weil es sie gibt, werden nicht noch viel mehr Grausamkeiten verübt.»

Falls die burmesischen Putschgeneräle und ihre Schergen dereinst vor Gericht stehen, ist jedenfalls eines sichergestellt: Umfassende Beweise liegen dann vor. Die Dossiers der Anklage werden solide sein.

Echo der Zeit, 22.07.2021, 18 Uhr

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